Dr. Richard: Warten auf den Fernbus-Boom

Ludwig Richard (li.) führt das Wiener Busunternehmen in dritter Generation. Sein Bruder Alexander vermittelt Reisen über seine Columbus-Reisebüros.
Der Betrieb hat mehr als 800 Busse. Seine Columbus-Reisebüros verkaufen immer mehr Flugreisen.

Mit dem Bus von Wien nach Graz – das hat in Österreich schon fast etwas Exotisches. Österreich ist ein Eisenbahnerland und vom Fernbus-Boom – der sich gerade in Deutschland abspielt – meilenweit entfernt.

Es ist auch nicht so, dass Fernbusse einfach kreuz und quer durch das Land fahren dürfen. Sie brauchen für jede Strecke die Genehmigung vom Verkehrsministerium, das prüft, ob die neue Strecke volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Oft scheitert das Okay daran, dass auf der Strecke schon ein Zug fährt. "Von einer Liberalisierung sind wir weit entfernt", seufzt Ludwig Richard, der das Wiener Busunternehmen Dr. Richard in 3. Generation führt.

Der größte private Busunternehmer des Landes hat geschlagene 20 Jahre gezögert, die Lizenz zum Befahren der Strecke WienGraz zu nutzen. Vor rund einem Monat – pünktlich zur Christkindlmarktsaison – startete Dr. Richard jetzt unter der deutschen MeinFernbus-Flagge sechs Mal täglich zwischen Graz und Wien. Warum jetzt? "Weil wir jetzt einen Partner mit entsprechendem Vertriebssystem haben", sagt Richard. Der Vertrieb funktioniert wie bei den Fluglinien. Wer frühzeitig und zu wenig frequentierten Zeiten bucht, fährt vergleichsweise billig. Für die rund 2,5-stündige neue Fahrstrecke liegen die Preise zwischen 9 und 18,50 Euro. In einem Jahr will Richard auf der Strecke profitabel fahren.

Busse für Berlin

Wenn in Österreich der Markt schon nicht liberalisiert ist, so will Richard zumindest an der Marktöffnung in Deutschland partizipieren. Am Berliner Start-up MeinFernbus hält er "etwas mehr als fünf Prozent". Die Berliner selbst haben keinen einzigen Bus, sie kümmern sich nur um das Streckennetz, um Marketing und Vertrieb. Die mehr als 300 Busse kommen von knapp 90 Bus-Partnern.

Richard steuert über seine Münchener Tochter Albus mehr als 30 Busse bei. Ihm schwebt vor, die Verbindung BerlinMünchen bis Italien zu verlängern. Der grenzüberschreitende Verkehr ist von der EU freigegeben.

Die Familie Richard beschäftigt sich aber nicht nur mit Busfahrten. Über ihre rund 30 Columbus-Reisebüros vermittelt sie alles von maßgeschneiderten Urlauben über Katalogreisen von Veranstaltern, Kreuzfahrten und Städtetrips bis zu Mietwägen. "Wir betreuen als eigener Reiseveranstalter rund 10.000 private Kunden im Jahr, wobei noch rund 40 Prozent Busreisende sind. Der Fluganteil unserer hauseigenen Produkte steigt stetig", betont Alexander Richard. Der Bruder von Ludwig Richard ist für die Reisebüros zuständig. Der Konkurrenzdruck steigt. "Sperrt einer zu, hat man das Gefühl, zwei neue sperren auf", spitzt er die Situation zu. Reisen sei eben "ein sympathisches Thema, auf das jeder Supermarkt aufspringt". Ein Drittel des Umsatzes kommt von Geschäftsreisenden, für die Richard unter dem Dach des australischen Franchisesystems FCm Travel Solutions möglichst kostengünstig Businesstrips organisiert.

Dr. Richard: Warten auf den Fernbus-Boom
Interview mit Ludwig Richard, Geschäftsführer von Dr. Richard, und seinem Bruder Alexander. Wien, 01.12.2014
KURIER: Ein Doktor-Titel im Firmennamen ist sehr österreichisch. Manche witzeln, dass Herr Richard gar nicht Doktor ist, sondern seinen Vornamen Dragan abkürzt. Ärgert Sie das?
Ludwig Richard:(lacht)Nein, aber meinen Großvater, den Namensgeber, hat es geärgert(Richard hat wie sein Vater und Großvater einen Doktor-Titel).

Wie hat sich das Geschäft seit Großvaters Zeiten geändert?
Zu Zeiten meines Großvaters war eine Kraftfahrlinienkonzession so ein sicheres Geschäft wie eine Apotheke. Die Preise waren behördlich vorgegeben. Fahren durfte man nur auf Strecken, für die man eine Konzession hatte. Dann kamen die Verkehrsverbünde und günstigere, subventionierte Tarife.

Und damit der Preiskampf?
Heute muss alles ausgeschrieben werden. Über den Zuschlag entscheidet der billigste Preis. Anders gesagt: Ausschreibungen gewinnt man über die Höhe des Lenkerlohns. Die Löhne machen 50 Prozent der Kosten aus. Da sind neue Unternehmen im Vorteil.

Weil sie keine gut bezahlten Mitarbeiter haben?
Sie haben keinen Betriebsrat, keine Arrangements wie Jubiläumsgelder oder Prämien für unfallfreies Fahren und holen nur junge Mitarbeiter, die weniger oft in Krankenstand sind, weniger verdienen und weniger Urlaubsanspruch haben.

Ihr Großvater hat das Unternehmen 1942 gegründet. Wie können Sie da mithalten?
In Wien waren wir gezwungen, eine eigene Firma zu gründen, um bei den Ausschreibungen im Stadtverkehr mithalten zu können. 200 unserer Busse fahren als Wiener Linienbusse. Wir hatten dasselbe Problem wie die AUA mit ihren Altverträgen.

Welche Bedeutung hat das Reisegeschäft?
Wir haben 830 Busse, ein Drittel davon Reisebusse.

Profitieren Sie von Streiks, wie jenen der Lufthansa und der Deutschen Bahn?
Das ist das Beste, was uns als deutscher Fernbusbetreiber passieren kann. Wir haben 80 Busse im Reservefuhrpark, die wir schnell einsetzen können. Auch der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull war eine Sternstunde für uns.

Was heißt das in Zahlen?
Wir hatten damals ein Umsatzplus im knapp siebenstelligen Euro-Bereich.

Markt In Österreich werden 7 Prozent aller Urlaubsreisen mit dem Bus unternommen – das sind mehr als 600.000 Reisen. Größter privater Anbieter ist Dr. Richard. Zum Unternehmen gehören u. a. Watzke/Graz, Kowatsch/Villach und Albus/Salzburg. Zweitgrößter privater Anbieter ist Blaguss. Nummer 1 ist die staatliche ÖBB/Postbus GmbH mit mehr als 2300 Bussen.

Familie Richard Das Busunternehmen Dr. Richard hat im Vorjahr 135 Mio. Euro Umsatz eingefahren, Columbus weitere 110 Mio. Euro.

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