dm-Gründer Götz Werner: Mit Einkommen zur Welt kommen
Es ist wie bei Monopoly oder DKT. Jedes Mal, wenn ein Spieler über "Los" oder "Start" kommt, erhält er Geld – einfach so, um weiterspielen zu können. Ohne dieses Geld wäre das Spiel schon nach wenigen Runden zu Ende. Götz Werner gefällt diese Metapher. "Sie kriegen 1000 Euro pro Monat vom Staat und können machen, was Sie wollen", bringt er seine Vision eines bedingungslosen Grundeinkommens im Gespräch mit dem KURIER auf den Punkt. Der 72-jährige Gründer und Aufsichtsrat der deutschen Drogeriemarktkette dm gilt als "der" Vordenker im deutschsprachigen Raum für ein Menschenrecht auf Bürgergeld. Schon 2005 brachte er sein Buch "Einkommen für alle" auf den Markt, nächstes Jahr soll es neu aufgelegt werden.
Egal, ob Baby, Rentner, Superreicher, Mieter, Vermieter oder Arbeitsloser – alle erhalten 1000 Euro, nur Bedürftige, die mit dem Geld nicht auskommen, sollen noch zusätzliches Sozialgeld beantragen können. Die Familie des siebenfachen Vaters Götz Werner hätte dadurch – Ehefrau mitgerechnet – 9000 Euro im Monat zusätzlich. Die Sozialausgaben in Österreich würden bei 8,7 Millionen Einwohnern 104 Milliarden Euro jährlich betragen. Das ist fast ein Drittel der Wirtschaftsleistung des Landes.
Finanzierung?
Die Finanzierungsfrage ist wohl das größte Mysterium in Werners Utopie. Die Antwort erfordere, sich von "Denkirrtümern" zu lösen, meint er. Erstens zu glauben, dass Arbeit bezahlt werden muss. "Es ist genau umgekehrt, wir müssen Arbeit ermöglichen." Zweitens zu glauben, dass Geld einen Wert habe. "Nein, Geld hat keinen Wert, sondern nur einen Schein-Wert, ist bedrucktes Papier. Wenn im Laden nix ist, ist das Geld nix wert. Leben tut der Mensch von Gütern und Dienstleistungen, die alle einen Preis haben." Letztlich löse sich jeder Preis in Einkommen auf.
Werner will daher das Steuer- und Sozialsystem völlig umkrempeln, weg von der Einkommensbesteuerung hin zur reinen Konsum- sprich Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer, die immer der Kunde bezahlt.
Umsetzung?
Fragen zur praktischen Umsetzung oder zur Sinnhaftigkeit beantwortet der dm-Gründer gerne schwammig oder ausweichend. Warum sollen Milliardäre ein Grundeinkommen bekommen? "Die haben sie ja jetzt schon in Form des Steuerfreibetrages", kontert er. Von Journalisten fühlt sich Werner ohnehin meist unverstanden.
Kritiker hat er zuhauf. Der deutsche Arbeitsmarktexperte Heinrich Alt bezeichnete das Grundeinkommen jüngst gar als "Horrorvision" und Angriff auf die Menschenwürde. Menschen lediglich finanziell abzusichern, habe weder etwas mit sozialer Marktwirtschaft noch mit Menschenwürde zu tun, wetterte Alt in der Süddeutschen. Bürger würden zu Almosenempfänger eines allmächtigen Superstaates degradiert. Die Wirtschaft könne sich jeder Verantwortung gegenüber den Erwerbstätigen entledigen, die Welt würde dadurch weder sozialer noch gerechter. Die Idee sei daher nur etwas für "gegängelte Querdenker und Tagträumer".
Querdenker Werner geht es ohnehin nicht um Tagespolitik, sondern um den "gesellschaftlichen Diskurs", wie er meint. Der fällt in unsicheren Zeiten auf fruchtbaren Boden, wie die Gründung einer eigenen Österreich-Bewegung (siehe Artikel unten) beweist. Österreich sieht Werner grundsätzlich als Vorreiter in Sachen sozialer Absicherung. Sowohl die bedarfsorientierte Mindestsicherung als auch Mindestpension und Kindergeld betrachtet er als Vorstufe zum bedingungslosen Grundeinkommen. Nur eben noch nicht bedingungslos. Auch das jüngste Pilotprojekt in Finnland, wo ausgewählte Arbeitslose eine Art Sozial-Pauschale erhalten, zählt er dazu: "Alles Große fängt klein an."
„Vordenker“ Götz Werner hielt die Grundsatzrede und soll Ehrenmitglied werden: Donnerstagabend wurde in der Rudolf-Steiner-Schule in Wien-Liesing der Verein „Generation Grundeinkommen“ aus der Taufe gehoben. Vereinsobmann Helmo Pape, „geläuterter“ Derivatenhändler aus Wien, will mit der neuen Bewegung eine landesweite Diskussion in Gang bringen. Ansporn ist die Volksinitiative Schweiz, die im Vorjahr eine Volksabstimmung erwirkte. Diese ging zwar mit großer Mehrheit negativ aus, doch die Debatte darüber hat seither europaweit an Intensität gewonnen. Pape strebt ebenfalls ein Volksbegehren an und wirbt auf der Homepage um Unterstützungserklärungen.
Der Verein steht keiner Partei nahe, wird betont. Tatsächlich hat mit Ausnahme der KPÖ keine etablierte Partei ein bedingungsloses Grundeinkommen in ihrem Programm. Die NEOS setzen sich zwar für ein Bürgergeld ein, dieses sei von der „reinen Idee“ eines Menschenrechts aber weit entfernt, sagt Pape. Die neoliberale Idee des Grundeinkommens ist auch mehr eine Grundpauschale, die sämtliche Sozialtransfers (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Mindestsicherung) fusioniert, um Kosten zu sparen.
Bei den Grünen, aber auch in der SPÖ, die sich stark für soziale Absicherung etwa durch eine Mindestsicherung oder -pension einsetzen, gibt es sowohl Befürworter als auch strikte Gegner eines Grundeinkommens. ÖVP und FPÖ lehnen ein arbeitsloses Grundeinkommen ab. Für sie ist der Sozialstaat ohnehin zu großzügig. Das Problem in der politischen Debatte: Viele tun sich schwer damit, sich bei dem komplexen Thema festzulegen.
WIFO-Chef Christoph Badelt brachte seine Skepsis kürzlich so zum Ausdruck: „Ein arbeitsfähiger Mensch sollte auch arbeiten, denn: "There is no free lunch.“
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