Dinner-Cancelling für Beamte bringt Tourismus magere Zeiten

Zum Radiologenkongress in Wien kommen 20.000 Teilnehmer
Bei Kongressen und Tagungen wird weniger gefeiert als früher. Rahmenprogramme sind größtenteils Geschichte.

So eine EU-Ratspräsidentschaft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Zumindest nicht aus Sicht der Tourismuswirtschaft. Früher gab es Rahmenprogramme, die Beamten sind zum Gala-Dinner und gerne auch ein paar Tage zum Sightseeing in der Stadt geblieben. „Heute kommen die meisten Tagungsteilnehmer mit der Frühmaschine und fliegen noch am selben Abend zurück nach Brüssel“, beobachtet Christian Mutschlechner, Präsident des Austria Convention Bureau (ACB). Politische wie wirtschaftliche Tagungen und Kongresse seien im Laufe der Jahre stark versachlicht worden. Wichtig seien nicht mehr die Abendevents, sondern die technische Ausstattung vor Ort. Entsprechend mau fällt – trotz EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 – die Bilanz der heimischen Tagungswirtschaft aus.

Kongress-Kurztrip

Laut dem Meeting Industry Report Austria (MIRA) haben Tagungsgäste im Vorjahr 3,49 Millionen Nächte im Land verbracht. Das ist ein hauchdünnes Plus von 0,1 Prozent. Die Zahl der Tagungsteilnehmer ist mit 1,7 Millionen mehr oder weniger auf Vorjahresniveau (plus 0,2 Prozent). Im Durchschnitt bleiben Tagungsteilnehmer über alle Branchen und Nationen hinweg zwei Tage im Land. Wobei sich Wien als eine international führende Kongressdestination etabliert hat. Auch dank des ACV, dem größten Konferenzzentrum des Landes, das 2018 zu weiten Teilen für die Ratspräsidentschaft blockiert war. Natürlich fielen die Räumlichkeiten damit für andere Tagungen aus, „aber die großen Kongresse haben zum Glück alle im ersten Halbjahr stattgefunden“, sagt Mutschlechner. Die größten Veranstaltungen kommen übrigens aus den Bereichen Wirtschaft und Politik (35 Prozent), gefolgt von Medizin und Geisteswissenschaften (20 bzw. 15 Prozent der Veranstaltungen).

Dinner-Cancelling für Beamte bringt Tourismus magere Zeiten

Bild aus dem Bundeskanzleramt, wo 1814 der Wiener Kongress stattgefunden hat

Auch wenn sich bei den Kongresszahlen in den vergangenen Jahren nicht viel verändert hat, gab es gravierende Einschnitte hinter den Kulissen. Etwa bei den Compliance-Vorschriften. Die Pharma-Industrie hat sich in der Folge zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung durchgerungen und macht öffentlich, wenn sie Ärzten Bar- oder Sachleistungen im Wert von mehr als fünf Euro zukommen lässt. Die Auswirkungen waren minimal, die Ärzte werden weiterhin von der Industrie zu Fachkongressen eingeladen, weiß Mutschlechner. „Das ist auch notwendig. Wer sonst soll die Fortbildung bezahlen? Der Staat sicher nicht und dem Patienten ist letztlich wichtig, dass der Arzt am letzten Stand ist.“ Gerätehersteller seien in der Zwischenzeit dazu übergegangen, wissenschaftliche Verbände zu sponsern, die dann wiederum etwa Zahnärzte zu Kongressen einladen. „Die Zeiten, in denen Begleitpersonen mitgekommen sind und es große Rahmenprogramme gab, sind definitiv vorbei“, berichtet Mutschlechner.

Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung (ÖW), betont die Bedeutung der Tagungswirtschaft: „Sie tragen 2,3 Prozent zu den Gästenächtigungen bei.“ Der Großteil davon entfällt auf Wien, auf den Rängen folgen Salzburg und Niederösterreich.

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