Ist der Arbeitnehmer bald ein Auslaufmodell?
Wozu noch Personal anstellen, wenn die "Crowd" den Job erledigt. Ob Sekretariatsaufgaben, Rechnungswesen, Programmiertätigkeiten oder Produkttests: "Crowdwork"-Plattformen wie Mechanical Turk, Clickworker oder growdguru schreiben Arbeit an eine anonyme Menschenmenge aus. Auftraggeber und -nehmer kommen nie in Kontakt, die Arbeitsergebnisse werden online abgeliefert. Statt Arbeits- oder Werkvertrag gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Plattform.
Neue Arbeitsphänome wie diese, die sich in den USA gerade rasant ausbreiten, lassen bei der Arbeiterkammer (AK) die Alarmglocken schrillen. Die gesetzlichen Grundlagen sind völlig unklar, es gibt keinerlei Mitbestimmung der Arbeitnehmer und die Grenzen zwischen selbstständig und unselbstständig verschwimmen. "Da werden zentrale Rechte der Arbeitnehmer beschnitten, die Rechtsdurchsetzung wegen der Arbeit über nationale Grenzen hinweg aber erschwert", kritisiert AK-Präsident Rudolf Kaske. Wenn aber immer mehr Großunternehmen ihre Arbeitsaufträge in viele Mikroaufgaben zerteilen und an anonyme Bestbieter vergeben, "wird der Arbeitnehmer irgendwann verschwinden", fürchtet Kaske.
Um einer "Willkür in der Arbeitswelt" vorzubeugen, hat sich die AK intensiv mit den möglichen negativen Auswirkungen der Digitalisierung beschäftigt und dazu ein eigenes 76-seitiges Papier erstellt. Besonders kritisch werden darin auch neue Online-Arbeitsvermittlungs-Plattformen wie MyHammer (Handwerker bieten dort nach dem Versteigerungsprinzip), Book a Tiger (Vermittlung von Reinigungskräften zum Fixpreis) oder Check Robin (Online-Plattform, die Transporte von privat zu privat vermittelt) gesehen. Es bestehe die Gefahr, dass dadurch Mindeststandards unterlaufen und Arbeitnehmerrechte konsequent ausgehebelt werden. In einigen Fällen werden die Stundensätze bzw. Preise fix vorgegeben, was laut AK der Funktion eines Vermittlers von Selbstständigen eigentlich widerspricht. MyHammer legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass Handwerker bereits seit 2006 nicht mehr nach dem Versteigerungsprinzip anbieten und das Portal von einem Auktions- auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt wurde.
Digital Road Map
Kommende Woche präsentiert die Regierung ihre "Digital Road Map" für die nächsten Jahre. Die Arbeiterkammer pocht darauf, dass dabei auch Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden, und stellte bereits einen eigenen Forderungskatalog zusammen. Verlangt werden unter anderem die Einhaltung arbeits- und steuerrechtlicher Regeln auch im digitalen Raum – "Umgehung von Sozialstandards ist kein innovatives Geschäftsmodell" – sowie eine Mit-Finanzierung der Sozialsysteme durch die "Digitalisierungsgewinner".
"Derzeit hängen 64 Prozent des Steueraufkommens an der Arbeit. Es geht hier um die Absicherung unseres Sozialstaates", meint Kaske. Oder anders formuliert: Wenn es keine Arbeitnehmer mehr gibt, müssen eben die Roboter Steuern und Sozialabgaben leisten (Maschinensteuer).
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