Diesel-Kläger können auch nach Autoverkauf auf Schadenersatz hoffen
Im Dieselskandal haben Kläger voraussichtlich auch dann Chancen auf Schadenersatz von Volkswagen, wenn sie ihr Auto inzwischen weiterverkauft haben. Das wurde am Dienstag bei zwei Verhandlungen am deutschen Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe deutlich. Nach vorläufiger Einschätzung des sechsten Zivilsenats ist - etwa für Berechnungen etwaiger Ansprüche - an die Stelle des Wagens der Verkaufspreis getreten.
Der Anwalt von VW hingegen argumentierte, wenn der Kläger das Auto nicht mehr zurückgeben könne, falle der Schadenersatz geringer aus. Wann die Richter ein Urteil verkünden, wollten sie noch im Laufe des Dienstags entscheiden.
In einem Fall hatte die Klägerin ihren VW mit dem Skandalmotor EA189 im laufenden Verfahren für rund 4.500 Euro verkauft. Der Autobauer ist der Ansicht, dass die Sache damit erledigt ist: Die Frau habe einen marktgerechten Preis erzielt. Das Kölner Oberlandesgericht (OLG) hatte entschieden, dass der Frau Schadenersatz zustehe - es komme allein darauf an, ob das Auto beim Kauf mangelhaft gewesen sei.
Kläger bekommen meistens recht
VW sind nach eigenen Angaben um die 1.000 ähnliche Fälle bekannt. Bei dem Autobauer geht man davon aus, dass noch viele andere Kläger ihr Auto inzwischen verkauft haben dürften.
Im anderen Fall hatte der Kläger seinen VW bei einem Audi-Vertragshändler in Zahlung gegeben und zusätzlich eine "Wechselprämie" von 6.000 Euro bekommen. Hier hatte zuletzt das OLG Oldenburg entschieden, dass diese Summe nicht vom Schadenersatz-Anspruch abzuziehen sei.
Der VW-Anwalt sagte vor dem BGH, bis zum Verkauf der Autos sei der Anspruch auf Erstattung unbestritten. "Danach (...) war die Welt aber eine andere." Aus Sicht der beiden Vertreter der Kunden kommt es aber darauf an, dass der ursprüngliche Vertrag nie zustande gekommen wäre, hätten die Käufer von den tatsächlichen Schadstoffwerten gewusst. Die Konsequenz dürfe nicht sein, dass man ein Auto, das man nicht mehr haben will, nicht verkaufen kann, sagte einer der Anwälte.
In ihrem ersten und wichtigsten Urteil zum Abgasskandal hatten die BGH-Richter im Mai 2020 entschieden, dass VW seine Kunden systematisch getäuscht hat: Hätten sie gewusst, dass die Diesel-Autos mit dem Motor EA189 viel mehr Schadstoffe ausstießen als auf dem Prüfstand messbar, hätten sie sich vermutlich für ein anderes Fahrzeug entschieden. In den meisten Fällen haben Kläger deshalb das Recht, ihr Auto zurückzugeben. Sie bekommen aber nicht das komplette Geld wieder, sondern müssen sich die Nutzung anrechnen lassen.
Der Autobauer hat sich seither mit zehntausenden Kunden auf einen Vergleich geeinigt, ohne eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Für die Kläger hat das den Vorteil, dass sie ihr Auto behalten dürfen. Außerdem hatten gut 245.000 Betroffene durch einen Mustervergleich zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1.350 bis 6.257 Euro bekommen.
Inzwischen hat sich der BGH in etlichen anderen Urteilen zu Konstellationen geäußert, bei denen sich spezielle Fragen stellen. In den kommenden Wochen stehen weitere Verhandlungen an. Dann wird es unter anderem darum gehen, ob Kläger wählen können, ob sie ihren Diesel zurückgeben oder sich als Ausgleich für den Mangel von VW einen Teil des Kaufpreises erstatten lassen. Weitere Verfahren drehen sich um das Thema Verjährung und Besonderheiten bei Leasing-Autos.
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