„Die Wirtschaft in Europa steht an einem Wendepunkt“
Jetzt bestätigt auch Brüssel die „Stagflation“, ein Kunstbegriff aus Stagnation und Inflation, vor der Experten seit Monaten warnen.
Konkret: Die Kommission erwartet für 2023 eine stagnierende Euro-Wirtschaft mit einer Wachstumsrate von nur 0,3 Prozent (auch in Österreich) bei nochmals um 6,1 Prozent steigenden Preisen (Österreich: 6,7 Prozent).
Die jetzigen Lohnverhandlungen dürften also bestenfalls ein Vorgeschmack auf den Herbst 2023 sein. Dann nämlich, wenn Österreichs Wirtschaft nicht mehr wie heuer um 4,6 Prozent gewachsen sein wird, aber die Gewerkschaft wieder zumindest die Abgeltung der Inflation fordern wird. Lohnerhöhungen, wie sie heuer in der Größenordnung von 7,4 Prozent bei den Metallern geglückt sind, werden in der Konjunktursituation von 2023 für die Unternehmen wesentlich schwieriger zu verdienen sein.
„Die Wirtschaft in Europa steht an einem Wendepunkt“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Präsentation der Zahlen in Brüssel. Und er hat in mehrfacher Hinsicht recht.
Man muss sich nur vergegenwärtigen: Die Wirtschaft von 15 der 27 EU-Staaten wird 2023 – wenn überhaupt – stagnieren. In drei Ländern herrscht Rezession. Ausgerechnet die größte Volkswirtschaft – Deutschland – hat die rote Laterne. Brüssel erwartet ein Schrumpfen um 0,6 Prozent und ist damit pessimistischer als die Ampelkoalition in Berlin. Einzig Irland und Malta wachsen noch mit einem Tempo von um die drei Prozent. Wenn, ja wenn die Prognosen dieses Mal halten.
Im Sommer war noch ein Wachstum für die Eurozone von 1,4 Prozent vorausgesagt worden. Jetzt sind es besagte 0,3 Prozent für den gemeinsamen Währungsraum.
Euroland ist abgebrannt
Und der schmiert gegenüber den USA immer mehr ab. Der US-Dollar hat gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn um zehn bis 15 Prozent aufgewertet. Ein starker Dollar verbilligt Importe in die USA.
Auch können die USA viel Gas (auch mit Fracking) selbst produzieren und sind daher vom Ukraine-Krieg samt dem massiven Anstieg der Energiepreise weitaus weniger betroffen. Das zeigt sich in den Preisen. In Europa ist die Inflation auf Rekordniveau. In Deutschland und Österreich ist sie momentan zweistellig und so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. In den USA sank die Inflation im Oktober zum vierten Mal in Folge auf 7,7 Prozent.
Fragt man Ökonomen wie Friedrich Mostböck (Erste Group) oder Stefan Bruckbauer (Bank Austria) hört man: Strom, Gas und Kraftstoffe machen in Europa 60 Prozent des Inflationsanstiegs aus, in den USA nur 30 Prozent.
Geht der Ukraine-Krieg also 2023 weiter wie gehabt, und davon ist leider auszugehen, könnten die aktuellen Prognosen bald Makulatur sein. Dann nämlich, wenn beispielsweise der Konsum angesichts der hohen Teuerung und tristen Nachrichtenlage endgültig einbricht.
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