Keine Spur von Flugscham: Die Welt ist im Flugrausch

Keine Spur von Flugscham: Die Welt ist im Flugrausch
Der Flugverkehr nähert sich wieder alten Höchstwerten an. Flughäfen, Airlines und Flugzeughersteller erwarten ein Anhalten des Booms.

Der Flugverkehr nimmt wieder kräftig zu und hat auch in Österreich beinahe wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Im Juli tummelten sich am Flughafen Wien mehr als 3,1 Millionen Passagiere. Das sind um knapp 14 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und nur geringfügig weniger als im Juli 2019, wie die Flughafen Wien AG am Donnerstag bekannt gab.

Auch die vor kurzem veröffentlichten Zahlen der AUA bestätigen die wiedererwachte Reiselust in der Luft. Im ersten Halbjahr beförderte die Fluglinie 6,1 Millionen Passagiere, ein Plus von 47 Prozent. Im Steigflug befinden sich auch die Auftragseingänge bei den Flugzeugherstellern. Von Jänner bis Juni wurden mehr als 1.500 Flugzeuge bestellt. Das sind fast so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Auch ein weiterer Rekord wurde vor Kurzem gebrochen. Am 6. Juli zählte die Flug-Tracking-Webseite Flightradar24 134.396 kommerzielle Flüge. So viele wie noch nie zuvor. Gestiegene Ticketpreise im zweistelligen Prozentbereich und die hohe Umweltbelastung durch Flüge scheinen die Reiselust nicht zu bremsen.

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Nachholbedarf

Tourismusforscher und Verkehrsexperten führen die starke Zunahme an Flugreisen auf den noch immer bestehenden Nachholbedarf nach der Corona-Pandemie zurück. „Wenn man mehrere Jahre auf Fernreisen verzichtet hat, wollen sich das viele wieder gönnen“, sagt Michael Schwendinger, Verkehrsexperte beim VCÖ. 

Für die meisten Österreicher sei der Urlaub am Meer das, was Urlaub ausmache, sagt der Tourismusforscher Peter Zellmann. „Der Urlaub ist die populärste Form von Glück. Selbst Menschen, die im Alltag umweltbewusst leben, schlagen für 14 Tage im Jahr über die Stränge.“ Dazu komme, dass es trotz gegenteiliger Angaben der Anbieter zu Saisonbeginn wieder zahlreiche Schnäppchen gebe. „Das animiert zusätzlich“, sagt Zellmann.

Flughafen Wien - Kennzahlen

Globale Erholung

Österreich ist keine Ausnahme. In Europa geht die Erholung der Luftfahrt nach dem pandemiebedingten Einbruch sogar vergleichsweise langsam vonstatten. In Nordamerika, dem Mittleren Osten und Afrika wurde das Vorkrisenniveau nicht nur bei regionalen, sondern auch bei interkontinentalen Flügen bereits wieder übertroffen. Aber hält der Boom an?

Der Flughafen Wien hat seine Prognosen für 2023 nach oben geschraubt und rechnet heuer mit 28,5 Millionen Passagieren. Die AUA will ihr Angebot an Flügen ausbauen. Bei den Herstellern ist man zuversichtlich. Der Zulieferer FACC, der an Boeing und Airbus Bauteile liefert, baut Produktionsflächen aus. Bis 2042 rechnet Unternehmenschef Robert Machtlinger mit einem weltweiten Bedarf an fast 41.000 Flugzeugen.

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Solange Flugtickets durch Steuerbefreiungen subventioniert und auf vielen Verbindungen billiger bleiben als Bahnfahrten, würden weiter mehr Leute aufs Flugzeug setzen, sagt Verkehrsexperte Schwendinger. Er verweist darauf, dass auch Zugreisen stark zugenommen haben. Die ÖBB erwarten mit 480 Millionen Passagieren heuer einen neuen Fahrgastrekord. Tourismusforscher Zellmann ist zumindest für Österreich skeptisch, was das Anhalten des Flug-Booms betrifft. Die Teuerung werde sich bei vielen erst 2024 richtig bemerkbar machen. Er geht deshalb von einem deutlichen Dämpfer für die Reiselust aus.

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