Die Waschmaschine wird zum Datensammler

Arçelik-Konzernchef Hakan Bulgurlu sieht in der Flüchtlingswelle längerfristig auch positive Effekte
Beko Hausgeräte: CEO Hakan Bulgurlu über Flüchtlingskrise, Grundig-Revivial und IFA-Trends

Beko ist Europas Nummer zwei bei Haushaltsgroßgeräten. Hinter der globalen Marke steht die türkische Arçelik-Gruppe, die sich derzeit weltweit auf Wachstumskurs befindet. Binnen fünf Jahren soll der Umsatz verdoppelt werden, kündigt Arçelik-Konzernchef Hakan Bulgurlu im KURIER-Interview auf der IFA in Berlin an. Dabei soll auch die wiederbelebte Marke Grundig sowie elektrabregenz in Österreich helfen.

KURIER: Wie trifft Sie als türkisches Unternehmen die aktuelle Flüchtlingsproblematik?

Hakan Bulgurlu: Wir spüren sie tagtäglich. Ich wundere mich, dass es hier über ein paar Tausend Flüchtlinge so eine große Aufregung gibt. Die Türkei hat zwei Millionen Syrien-Flüchtlinge im Land. Das ist eine große Bürde. Der Krieg in Syrien trifft auch unsere Wirtschaft.

Welche konkreten Auswirkungen hat die Flüchtlingswelle auf ihr Geschäft?

Negative und positive. Beko ist bei Haushaltsgeräten Marktführer in Syrien und im Irak. Durch den Krieg ist der Markt dort völlig zusammengebrochen. Wenn die Flüchtlinge in der Türkei bleiben, bedeutet das längerfristig mehr Kunden im Inland.

Es heißt, die Zuwanderer würden in der Türkei die Löhne drücken ...

Flüchtlinge erhalten relativ rasch Zugang zum Arbeitsmarkt. Dadurch gibt es ein größeres Arbeitskräfte-Angebot und es steigt der Lohndruck. Dies passiert in der Agrar- und in der Textilindustrie, wir sind nicht betroffen.

Beko baut gerade eine Kühlgeräte-Fabrik in Thailand. Ist Asien der große Zukunftsmarkt für Hausgerätehersteller?

Wir investieren vor allem in Südostasien und halten dort auch nach Übernahmezielen Ausschau. In Europa, wo wir mit Beko zweitgrößter Weißware-Anbieter sind, stagniert der Markt und es herrscht ein intensiver Wettbewerb. Osteuropa war zuletzt wegen der Ukraine rückläufig. Insgesamt wollen wir in den nächsten fünf Jahren unseren Konzernumsatz verdoppeln. Wir investieren aber auch in Europa und haben erst kürzlich eine Niederlassung in Serbien eröffnet.

Ihre deutsche Elektronik-Marke Grundig wird jetzt auf Hausgeräte ausgeweitet. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Grundig ist vor allem als TV-Gerätemarke bekannt und gut eingeführt. Wir haben in Deutschland die Grundig-Hausgeräte bereits langsam ausgerollt und wollen dies jetzt auch in Österreich tun. Dort ist Grundig neben elektrabregenz und Beko unsere dritte Marke. In diesen Märkten wollen wir in den nächsten fünf Jahren 15 bis 20 Prozent unseres Umsatzes mit Grundig erzielen.

Sie haben 2002 die österreichische Traditionsmarke elektrabregenz übernommen und führen Sie seither weiter. Warum eigentlich?

Unterschiedliche Marken erlauben uns, auf die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse in den Ländern einzugehen. Und elektrabregenz ist immer noch profitabel. Es besteht also kein Grund, die Marke aufzugeben.

Das Thema Industrie 4.0 ist in aller Munde. Können wir Elektronikgeräte bald selbst mit dem 3-D-Drucker ausdrucken?

Ganze Geräte vielleicht noch nicht so bald, aber für uns ist der 3-D-Druck von Ersatzteilen ein großes Thema. Wir liefern in 130 Länder und das rasche Anfertigen von Metallteilen für Reparaturen ist ein großer Vorteil. Ich denke, das werden wir in drei bis vier Jahren hinkriegen, in unseren Fabriken arbeiten wir bereits jetzt mit 3-D-Druckern.

Die Vernetzung "mitdenkender" Haushaltsgeräte mit dem Internet ist großes Thema auf der IFA. Welche großen Veränderungen erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Große Veränderungen. Alles verlagert sich ins Internet und ist via Smartphone steuerbar. Mittels App können die Geräte direkt mit dem Hersteller kommunizieren. Aufgrund der Daten, die uns die Waschmaschine liefert, erfahren wir die Waschgewohnheiten unserer Kunden und können dadurch Produktion und Service verbessern. Die Geräte werden auch eigenständig melden, wenn etwas defekt ist.

Big Data, das viele Datensammeln, macht aber vielen Konsumenten Angst ...

Stimmt, dazu wird es ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Marke und Konsument brauchen.

Unternehmen
Die 1955 gegründete Arçelik A.S. mit Sitz in Instanbul gehört zur türkischen Koç-Holding, der größten Industrie- und Dienstleistungsgruppe des Landes (85.000 Mitarbeiter, 35 Mrd. Euro Umsatz). Das Unternehmen ist mit zehn Hausgerätemarken in 130 Ländern vertreten, u. a. mit Beko, Grundig und elektrabregenz. Beko ist Nummer zwei in Europa. Der Konzern verfügt über insgesamt 14 Produktionsstätten in der Türkei, Rumänien, Russland, China und Südafrika. Die acht F&E-Zentren befinden sich in der Türkei, Taiwan und Großbritannien. Im Vorjahr wurden mit 26.000 Mitarbeitern 4,3 Mrd. Euro umgesetzt. Beko ist Sponsor des FC Barcelona.

Hakan Bulgurlu
Hakan Bulgurlu (42) ist seit Mitte Februar 2015 Vorstands-
vorsitzender von Arçelik. Zuvor leitete er den Vertrieb in Europa, Amerika und Asia-Pazifik.

Eine Waschmaschine von Grundig? Seit zwei Monaten klebt die deutsche Elektronik-Traditionsmarke auch in Österreich erstmals auf Hausgeräten wie Waschmaschinen oder Geschirrspüler. Bisher sind sie allerdings nur bei kika-Leiner erhältlich. Bei Erfolg werde die Vertriebsschiene sukzessive ausgeweitet, kündigt elektrabregenz-Chef Kürsat Coskun im KURIER-Interview an. „Wir wollen mit Grundig Konsumenten ansprechen, die wir bisher nicht erreicht haben.“

Die Waschmaschine wird zum Datensammler
Beko-Österreich-Chef Coskun
Grundig ist neben elektrabregenz und Beko die dritte Marke der türkischen Arçelik-Gruppe in Österreich. Grundig Elektronik wurde 2004 aus der Konkursmasse übernommen und nach Schließung der Entwicklung in Nürnberg 2008 in Arçelik eingebracht. Die Produktion erfolgt wie bei Beko und elektrabregenz großteils in der Türkei.

Mit dem Dreigespann will Coskun in Österreich den Marktanteil bei Hausgroßgeräten („Weiße Ware") bis 2018 von acht auf zehn Prozent steigern. Derzeit liegt elektrabregenz bei 4,5 und Beko bei 3,5 Prozent, wobei die Billigschiene Beko dank Aktionen über Diskonter zuletzt stark zulegen konnte. Die Nase vorne haben die Traditionsmarken Bosch, Siemens, AEG und Miele, die gemeinsam etwa die Hälfte des Hausgroßgeräte-Marktes beherrschen. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2015 ein leichtes Umsatzplus von vier Prozent auf 348 Millionen Euro.

Premium-Marke

Preismäßig wird Grundig im Premium-Segment angesiedelt. Wohl auch, um schwindende Margen im harten Preiskampf wettzumachen. Wachstumsnischen sieht Coskun bei Einbaugeräten sowie Wäschetrocknern. Im Vorjahr setzte elektrabregenz mit rund 40 Mitarbeitern 31,8 Mio. Euro um und schrieb einen Nettogewinn von rund einer Million Euro. Für heuer erwartet Coskun einen Umsatz von 40 Millionen Euro.

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