Die vielen Seiten des Buchhandels

der Buchmarkt ist heftig umkämpft.
Jährlich sperren 20 Händler zu. Von einem Abgesang der Branche kann dennoch keine Rede sein.

Bücher gibt es überall. Sie türmen sich in Möbelhäusern, in der Nähe der Supermarktkassen, liegen beim Blumenhändler und in diversen Modegeschäften auf. Dazu kommt die Konkurrenz aus dem Internet, allen voran vom US-Riesen Amazon. In Deutschland haben Branchenfremde den traditionellen Buchhändlern schon die Hälfte des Umsatzkuchens abgenommen. In Österreich ist die Situation ähnlich. Der Buchmarkt ist umkämpft, jährlich schließen österreichweit rund zwanzig Händler für immer ihre Pforten.

Zuletzt sorgte in Wien Frick für Aufsehen, der Ende Jänner seinen Standort in der Wiener Kärntner Straße schließt. Auch die Frick-Filialen in der Wollzeile und am Keplerplatz sind Geschichte. "In zehn Jahren wird es in den Toplagen der Innenstädte keine Buchhandlungen mehr geben", prophezeite Frick-Eigentümer Wilhelm Sotsas im Standard-Interview. Es rentiere sich einfach nicht mehr.

Kassa machen

Erwin Riedesser, Präsidiumsmitglied im Hauptverband des Buchhandels und selbst Eigentümer der Leporello-Buchhandlungen in der Wiener Innenstadt, sieht das naturgemäß anders. "Die Zeiten sind herausfordernd, aber nicht jeder, der zusperrt, tut dies aus strukturellen Gründen." Oft fehle es alteingesessenen Händlern schlicht an einem Nachfolger. Gleichzeitig winken internationale Ketten mit hohen Ablösen für Standorte in Toplagen. Viele würden in so einer Konstellation Kassa machen.

Wenig Freude mit der Schließung von Frick hat auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl. "Natürlich ist das schlecht für die Innenstadt." Allerdings könne die Stadt nicht viel dagegen machen. Dass die vielen Demos am Ring schuld am Weggang der Händler sind, glaubt Häupl aber nicht.

Liegt es daran, dass in der Innenstadt nur noch Touristen unterwegs sind, die keine dicken Wälzer nach Hause schleppen? Das lässt Riedesser nicht gelten: "Wir haben viele Kunden, die in den Büros und Kanzleien in der Gegend arbeiten." Das Problem liegt seiner Meinung nach ganz woanders: "Die Kosten fürs Personal, die Mieten und Betriebskosten steigen, die Buchpreise nicht."

In dieselbe Kerbe schlägt Ulla Harms, selbst Buchhändlerin im 15. Bezirk und ehemalige Verlagsvertreterin. "Eine Blumenhandlung hat kein Problem, einen Adventkranz um 50 Euro zu verkaufen, aber der 320-Seiten-Roman von Köhlmeier kostet nur 10,30 Euro", ärgert sie sich. Theoretisch könnten Harms und ihre Kollegen den Roman auch deutlich teurer verkaufen – die Buchpreisbindung in Österreich regelt nur den Mindestpreis. Viele heben die Preise auch tatsächlich an, allen voran Branchenprimus Thalia, der seit ein paar Monaten auf den nächsten 90-Cent-Betrag aufrundet.

An der Preisschraube drehen

An der Preisschraube zu drehen ist ein Balanceakt. Selbst wenn viele Kunden keine Ahnung haben, was ein Bestseller kostet, sehen sie Preisunterschiede spätestens bei einem Blick ins Internet. Harms: "Heute hat fast jeder einen Onlineshop, ohne den geht gar nichts mehr."

Reinhold Posch ist anderer Meinung. "Ich unterhalte mich lieber mit Kunden, als ihnen Pakete zu binden", sagt der Traditionshändler aus dem 7. Bezirk. Der studierte Biologe hat vor rund 40 Jahren seinen Job im Wissenschaftsministerium an den Nagel gehängt, um seine Buchhandlung zu eröffnen. In seinem kleinen Laden türmen sich die Bücher auf fast abenteuerliche Weise. Sind mehr als drei Kunden gleichzeitig im Geschäft, ist dieses hoffnungslos überfüllt. Einige kommen Bücher abholen, die sie per Mail oder telefonisch bestellt haben, andere zum Tratschen. Viele sind Stammkunden "des Philosophen", der zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten im Geschäft steht. Schon morgens um sieben stellt er die Bücherkisten vor die Tür, redet mit Vorbeikommenden, nimmt Lieferungen entgegen. Wie viele Stunden seine Arbeitswoche hat, weiß er nicht. "Ich will nicht mit jenen mitklagen, die übertreiben, wenn sie gefragt werden, wie viel sie arbeiten. Ich bin gern hier." Posch hat sich auf die Themenbereiche Botanik und Surrealismus spezialisiert, verkauft aber auch vieles, das gerade populär ist.

"Ich habe ein Janusgesicht, schaue einerseits fast introvertiert auf die Bücher, mit denen ich mich identifiziere und muss andererseits den Markt im Auge behalten." Wohin sich der Markt entwickelt, könne er nicht sagen. "Bis jetzt hat Amazon mein Geschäft nicht beschädigt. Aber die Zukunft hat keinen linearen Verlauf, vielleicht schaut die Welt nächste Woche schon anders aus."

Dass Buchhandlungen ums Überleben kämpfen, ist für viele Menschen schmerzhaft. Grund für Kulturpessimismus ist es aber kein ausreichender. Die Schwierigkeiten des Buchhandels sind in vielerlei strukturellen und äußeren Umständen begründet (siehe oben); in dem gefühlten Umstand, dass dies gleichbedeutend mit einem angeblichen Niedergang des Lesens ist, aber nicht.

Es kommt auch hier drauf an, was man aus welchem Winkel betrachtet; aus zumindest einem aber ist klar: Wir leben in der Blütezeit des Lesens. Dank Internet und Smartphones waren noch nie so viele Menschen wie heute permanent mit Text konfrontiert. Für viele endete in früheren Zeiten die Auseinandersetzung mit Text, vor allem mit dem Schreiben, mit der Schulzeit. Das ist heute in vielen Lebenswelten und Berufen undenkbar geworden, insbesondere für die Jungen.

Stabiler Markt

Auch ist der Buchmarkt an sich überaus stabil. Der deutsche sank zuletzt um 1,4 Prozent, im Zehnjahresvergleich ist das aber laut Hauptverband des deutschen Buchhandels kein Alarmsignal. Der viel gescholtene Onlinebuchhandel macht übrigens nur 17,4 Prozent dieses Marktes aus. Was im Wehklagen über den Niedergang der Lesekultur aber eigentlich gemeint ist, ist das sinkende Interesse an erzählender Literatur. Hier gibt es, im Gegensatz zu den anderen Aspekten, wirklich eine Bewegung: Die Amerikaner etwa lesen weniger Romane als früher, seit 1982 fiel dieser Anteil um zehn Prozentpunkte auf 46 Prozent der Bevölkerung. Angesichts der Wichtigkeit der Literatur keine erfreuliche Entwicklung – aber auch hier lohnt sich der zweite Blick: Seit 1982 boomten Games, Fernsehen, das Internet und die Smartphones. Die Literatur hat sich in dieser radikal veränderten Medienwelt eigentlich sagenhaft gut gehalten.

Kommentare