Die unendliche Meinl-Geschichte

Meinl Bank, Julius Meinl
Seit 2007 ermitteln die Ankläger. Zu lange, meint das Justizministerium. Richterin erklärte sich für befangen.

Die Causa ist alles andere als ein Ruhmesblatt für die Justiz. Das Strafverfahren gegen den Banker Julius Meinl V und seine Manager ist im achten Jahre angekommen. Der Spross einer alt-österreichischen Dynastie wehrt sich hartnäckig, unterstützt von Top-Anwälten. Die erbittert kämpfende Staatsanwaltschaft hat eine Kohorte von Anleger-Anwälten hinter sich.

Das Strafverfahren wird mit unglaublichen Emotionen geführt, von beiden Seiten. Die Frage ist, haben Meinl & Co. "nur" die Sparer geschädigt, oder sind sie auch mit dem Strafrecht in Konflikt gekommen. Bis heute gelang es den Anklägern jedenfalls nicht, Substanzielles zu beweisen. Im Gegenteil, die Suppe wird immer dünner.Die unendliche Geschichte ist seit Kurzem um einen bemerkenswerten Vorfall reicher. Richterin Bettina Deutenhauser, seit Beginn in der Causa Meinl tätig, bekam jetzt kalte Füße und erklärte sich in einem Schreiben an den Präsidenten des Wiener Straflandesgerichts mit Datum 5. März für befangen (siehe Faksimile). Das passiert in der Justiz nicht alle Tage.

Die Frau Rat hätte auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bei einer Sicherheitsfirma genehmigen sollen. Julius V hatte nach seiner U-Haft Personenschutz, die Meinl Bank bezahlte. Rund 700.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft konstruierte daraus mögliche Untreue und leitete ein neues, drittes, Strafverfahren ein. Meinl habe Mitarbeitern der Justiz nachspionieren lassen, das habe mit der Verteidigung der Bank nichts zu tun. Bank-Vorstand Peter Weinzierl bestreitet den Bespitzelungsvorwurf heftig, davon abgesehen sind Erkundigungen über Justizangehörige gar nicht strafbar.

Deutenhauser argumentierte, theoretisch könnte auch sie selbst als Haft- und Rechtsschutzrichterin zum Kreis der angeblich Überwachten gehört haben. Daher könnten sich "bei einer Erledigung des Antrags ON 6 durch die gefertigte Richterin Zweifel an deren Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit ergeben ...".

Das Landesgericht beschloss noch am selben Tag den Ausschluss der Richterin von besagtem Verfahren. Es lägen tatsächlich Gründe vor, die "bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit erwecken könnten".

Ein anderer Richter winkte dann die Hausdurchsuchung durch. Die Meinl-Anwälte prüfen derzeit, ob die Richterin nur in einem Verfahren, also quasi nur teilweise, befangen sein kann.

Deutenhauser hatte am 1. April 2009 die Untersuchungshaft über Julius V verhängt. Zwei Tage später wurde der Banker wieder auf freien Fuß gesetzt, gegen die damals spektakuläre Summe von 100 Millionen Euro. Erst im Juni 2010 erhält Meinl seine Pässe zurück, erst im März 2013 werden 90 Millionen refundiert. Der Rest liegt bis heute auf einem Konto der Justiz. Die Demütigung einer U-Haft verzeiht der medienscheue Meinl der Justiz vermutlich sein ganzes Leben lang nicht. Den Kautions-Rekord hält heute übrigens der ukrainische Oligarch Dimitri Firtasch mit 125 Millionen.

Die lange Verfahrensdauer wird im Justizministerium durchaus kritisch verfolgt. "Das ist objektiv nicht mehr gerechtfertigt", sagt Straf-Sektionschef Christian Pilnacek.

Die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft verlagern sich augenscheinlich immer mehr zu Randthemen. Weil man in der Hauptsache nach wie vor zu wenig in der Hand hat.

Um das Verfahren in der Sache Meinl European Land (MEL, heute Atrium) ist es auffällig ruhig geworden. Tausende Kleinanleger verloren Geld, die Staatsanwaltschaft sprach ursprünglich von 6,4 Milliarden Euro Schaden. Knapp 34 Millionen Euro hat die Meinl Bank bis dato für Vergleiche mit Anlegern gezahlt.

Meinls Anwälte beeinspruchten so gut wie jede Entscheidung der Staatsanwälte bzw. der Richterin. In 50 Fällen attestierten die Gerichte denn auch Rechtsbrüche. Das betrifft die Bestellung von Gutachtern ebenso wie die beabsichtigte Beschlagnahmung von Liegenschaften, Hausdurchsuchungen, Verwehrung von Akteneinsicht, eine zwangsweise Einvernahme von Meinl und Weinzierl etc. Eine (unrechtmäßige) elektronische Überwachung der Meinl Bank – auf einer Verkehrstafel vor dem Eingang wurde eine Videokamera installiert – geriet zur komischen Posse. "Grotesk", befand das Oberlandesgericht. Noch grotesker: Im Vorjahr fand ein Blogger vertrauliche Papiere der Staatsanwaltschaft in einem Altpapiercontainer und stellte Teile davon ins Internet.

Die erste Anklage schafften die Staatsanwälte nur auf einem Nebenschauplatz. Die Organe der Bank hätten sich der Untreue schuldig gemacht, weil 2008 eine Sonderdividende von 212 Millionen ausgeschüttet wurde. Daher habe die Bank zu wenig Rückstellungen für die Entschädigung von Anlegern. Die oberen Instanzen hielten die Anklage schon längst für zu wenig substanziell, doch der Weisenrat gab grünes Licht. Peinlich: Das Oberlandesgericht (OLG) schickte die Anklage im April zurück, die Staatsanwälte müssen weiterrecherchieren.

"Diese Entscheidung des OLG wäre nicht notwendig gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft früher auf die Bedenken des Ministeriums reagiert hätte", bedauert Sektionschef Pilnacek. Bis zum Sommer sollte entschieden werden, ob nochmals angeklagt oder eingestellt wird.

Weinzierl-Anwalt Christof Dunst hat kürzlich eine Aufsichtsbeschwerde eingebracht. Gegen die Staatsanwälte Michael Radaszitcs, Volkert Sackmann und Bernhard Löw. Diese wird derzeit justizintern geprüft.

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