Die Suche nach dem Heiligen Gral

Die Suche nach dem Heiligen Gral
Politiker und Manager reisen ins Mekka der Start-up-Szene – auf der Suche nach Erfolgsrezepten.

"Schauen Sie, da geht ein Newggle", ruft der Google-Mitarbeiter und zeigt mit dem Finger auf einen jungen Mann in kurzen Hosen, Turnschuhen und einer bunten Schildkappe, auf der sich ein Propeller dreht. Der Bursche scheint die Kappe mit Stolz zu tragen. Sie zeigt allen, dass er ein Newggle ist, also jemand, der seinen ersten Arbeitstag bei Google hat.

Am Google-Campus im Silicon Valley arbeiten 20.000 Menschen, sie alle tragen ihre ID-Karte gut sichtbar und griffbereit – auch weil sie die Zutrittskarte zu den Büros, zum firmeneigenen Fitnesscenter oder zur Kantine ist, in der sich alle gratis bedienen. Wer keinen Badge hat, ist Besucher. Und diese kommen Bus-weise.

Das Silicon Valley ist zur Touristenattraktion geworden. Auffällig viele von ihnen tragen Anzug, in ihren Knochen steckt eine Portion Angst, dass sie von der nächsten Technologiewelle, die hier ausgeheckt wird, aus dem Geschäft gespült werden.

Start-ups aus der Region bringen ganze Branchen ins Wanken. Das Zimmervermittlungsportal Airbnb lässt über Dekaden gewachsene Hotelketten alt aussehen, der Taxi-Vermittlungsdienst Uber zieht immer weitere Spuren. Selbst Autofahrerclubs machen sich Gedanken über ihr langfristiges Geschäftsmodell. Google-Maps löst Straßenkarten ab, Buchungsportale drängen dicke Hotelverzeichnisse aus dem Markt und wenn die Sharing-Economy tatsächlich breitenwirksam wird, wird die Zahl der Autobesitzer dramatisch sinken.

Selbstfahrende Autos

"Der letzte Führerscheinneuling ist bereits geboren", glaubt Mario Herger, dass künftig überhaupt selbstfahrende Autos die Straßen beherrschen werden. "Ein Foto aus dem Jahr 1900 zeigt die Fifth Avenue mit vielen Pferden und einem Auto. 13 Jahre später sieht man nur noch Autos und keine einzige Kutsche mehr." Auch diesmal könnte die Entwicklung schneller kommen als viele denken.

Die Suche nach dem Heiligen Gral
SAP Developer Team 2012, Mario Herger, honorarfrei
Herger, technischer Chemiker, Buchautor und langjähriger SAP-Mitarbeiter, organisiert Firmenbesichtigungen im Silicon Valley. Er legt den Schwerpunkt nicht auf Konzerne wie Apple oder Google, sondern auf unbekanntere Start-ups, von denen es 30.000 in der Region gibt. Herger zeigt Managern aus Übersee, an welchen Technologien kleine Garagenfirmen arbeiten, besucht mit Delegationen Tech-Shops – also öffentliche Werkstätten, in denen Hardware wie 3-D-Drucker von mehreren Firmen gemeinsam genutzt werden können. Oder er fährt mit ihnen zur Sandhill Road, wo ein Venture-Capital-Geber neben dem anderen sein Büro hat.

Mekka der Geldgeber

Nicht nur Manager wollen erfahren, was den Erfolg der Bay Area von San Francisco ausmacht. Auch Politiker wollen wissen, wie so ein Eco-System entstehen kann. Sie reisen ins Valley – so wie vergangene Woche Infrastrukturminister Jörg Leichtfried.

"Es ist die kulturelle Offenheit und die Kapitalinfrastruktur, die die besten Köpfe hierher zieht", meint Fritz Prinz, Professor an der Stanford Universität. Ein wesentlicher Unterschied zum Alten Kontinent: "Reiche Leute in Europa investieren noch immer in Gebäude und Marken – nicht in Ideen." Zudem würden auch US-Pensionsfonds in Venture-Capital-Fonds investieren, von denen wiederum ein Großteil des Geldes in Start-ups fließt. Im Vorjahr sind knapp 28 Milliarden US-Dollar, das ist fast die Hälfte des gesamten Risikokapitals der USA, ins Silicon Valley gepumpt worden.

In Österreich stockt Verkehrsminister Jörg Leichtfried Programme, mit denen Firmen in der Frühphase gefördert werden, um zehn Millionen auf und investiert bis zu 50 Millionen in die Förderung von Lohnnebenkosten der ersten drei Mitarbeiter eines Start-ups. Er hofft, dass die Förderungen private Anschlussfinanzierungen auslösen werden, so wie sie im Silicon Valley an der Tagesordnung stehen. Ein Investor oder Venture Capital Fonds ist dort aber viel mehr als ein Geldgeber. "Es geht um Coaching, darum vom Netzwerk und dem Standing des Investors zu profitieren", sagt ein Gründer.

Reiche Elite-Unis

Stanford-Professor Prinz berät Firmen in der Startphase. "Ich bringe Leute zusammen, darf aber nicht in einer Geschäftsführung eines Start-Ups sein", erklärt er. Stanford ist übrigens nur in der Grundlagenforschung tätig. Ein Start-up eines Absolventen darf also nicht in den Laboren des Campus für eigene Zwecke forschen. In so einem Fall bestünde die Gefahr, dass ein Unternehmer bevorzugt wird, erläutert Prinz. Die Elite-Uni hat übrigens 22 Milliarden Dollar an Stiftungsgeldern auf der hohen Kante und ein jährliches Budget von 5,5 Milliarden Euro. Ein Jahr in Stanford zu studieren kostet um die 50.000 Dollar.

Das Zusammenspiel von Forschern, Elite-Unis, Risikokapitalgebern und dem Who’s-who der IT-Branche gilt als Erfolgsrezept der Region. Dennoch scheitern 9 von 10 Gründern. Das wird nicht als Misserfolg gesehen – sondern als Erfahrungsgewinn.

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