Die Pizza kommt per Knopfdruck

Die Pizza kommt per Knopfdruck
Noch bestellen die Österreicher Pizza am liebsten telefonisch. Online-Portale sind aber im Vormarsch.

Jitse Groen mag schlechtes Wetter. "Das ist das Beste fürs Geschäft. Südlich der Alpen funktionieren Zustelldienste für Essen gar nicht mehr. Da ist das Wetter gut und die Leute essen lieber auswärts", beobachtet der Niederländer, der vor zwölf Jahren den Essens-Zusteller takeaway.com gründete.

In Österreich ist er mit lieferservice.at am Markt und hat große Pläne. Die Zahl der angeschlossenen Restaurants soll binnen zwei Jahren auf 800 verdoppelt, die Zahl der monatlichen Bestellungen auf 100.000 verfünffacht werden, kündigt er im KURIER-Gespräch an. Gelingen soll dies mit einem zusätzlichen Werbebudget von bis zu drei Millionen Euro. Anfang des Jahres hat der 33-Jährige 13 Millionen Euro von einem Investor erhalten.

Wien vor Berlin

Das System von lieferservice.at ist einfach. Kunden tippen ihre Postleitzahl ein und erhalten eine Liste der Zusteller in der Nähe. Rund 400 Restaurants – vom Chinesen bis zum Italiener – präsentieren ihre Speisepläne auf der Seite, 300 davon aus Wien. Wer bestellt, bekommt per SMS mitgeteilt, wie lange die Lieferung dauern wird und kann wahlweise in bar oder online bezahlen. Pro Bestellung liefern die Restaurants acht Prozent des Umsatzes an die Plattform ab.

Groen schätzt, dass in Österreich bereits 20 bis 25 Prozent der Essensbestellungen via Mausklick erfolgen. Im Vergleich zu Deutschland (zehn bis 15 Prozent) ist das ein hoher Prozentsatz. "Und die Wiener bestellen vier Mal so oft wie Berliner und geben noch dazu mehr aus." In Wien liegt der durchschnittliche Bestellwert bei 20 Euro, in der deutschen Hauptstadt um vier Euro darunter.

Die größte Konkurrenz der Online-Plattform, die bereits zehn Prozent der Bestellungen via Smartphone erhält, bleibt das Telefon. Wenn es um eine Essensbestellung geht, vertrauen die Österreicher offensichtlich derzeit dem Telefon mehr als dem Internet.

Dynamische Branche

Dennoch nimmt der Kampf der Online-Portale zu. Nicht zuletzt wegen der Wachstumsaussichten. Während Flüge und Hotels schon zu großen Teilen über Buchungsplattformen gebucht werden, steht die Entwicklung bei Essenszulieferern noch in den Kinderschuhen "Es gibt noch viel Potenzial. Derzeit bestellen österreichweit nur zehn bis 20 Prozent online, in Wien vielleicht 25 Prozent", sagt etwa Angelo Laub, Gründer von mjam.net , dem laut eigenen Angaben größten Portal in diesem Segment.

Laub hat mjam.net 2008 gegründet, im Vorjahr wurde Konkurrent willessen.at übernommen. Auch in der Eigentümerstruktur des Wiener Start-ups hat sich seit 2008 einiges geändert: 2009 hat sich die schwedische Online Pizza NordenGroup bei mjam beteiligt, vor zwei Monaten wurden die Schweden wiederum von der Berliner Delivery Hero Group übernommen. Diese zählt nun zu den größten Plattformen für Online-Essenszusteller. Laub hält noch zehn Prozent an mjam.net bzw. willessen.at . An die beiden Plattformen sind 600 Restaurants angeschlossen, rund 100.000 Bestellungen sollen monatlich eingehen.

Rund 85 Prozent des Geschäfts machen die Plattformen in Wien. mjam und willessen sind fünf Mal größer als die Nummer zwei in Österreich – die ungarische netkellner.at , betont Laub. An dritter Stelle folgt lieferservice.at von Groen.

 

Konkurrenzkampf

Laut Groen gibt es in Österreich langfristig nur Platz für einen Anbieter: "Um in diesem Geschäftsfeld Geld verdienen zu können braucht man eine gewisse Größe und um diese zu erreichen Geld fürs Marketing und für Fernsehwerbung". In Holland läuft seine Plattform mittlerweile mehr oder weniger außer Konkurrenz, zudem ist er in acht weiteren Ländern vertreten.

Unerwünschte Papierflyer und Schwarzarbeit
Der Verkauf über die Gasse und das Catering-Geschäft legen seit einiger Zeit stark zu", beobachtet Wilhelm Turecek, Wiener Obmann der Bundessparte Gastronomie. Seiner Einschätzung nach liefern in der Bundeshauptstadt bereits mehr als ein Drittel der Gastronomiebetriebe Speisen und Getränke aus.

Ein Grund für die neue Bestell-Lust sei auch, dass in vielen Restaurants nicht mehr geraucht werden darf. Turecek: "Um die Weihnachtszeit haben wir gesehen, dass einige Firmen wegen den neuen Nichtraucherzonen lieber im Unternehmen gefeiert haben und sich das Essen haben liefern lassen."

Aber auch im privaten Bereich werde immer mehr bestellt, speziell in den Städten. Online-Bestellplattformen haben daher seiner Einschätzung nach noch viel Potenzial. Der Wettbewerb der Zusteller nimmt jedenfalls zu.

Beschwerden
Restaurantbetreiber lassen emsig ihre Menükarten verteilen, allerdings nicht immer zur Freude der Konsumenten. Auf Tureceks Schreibtisch landen "mindestens zwei Mal die Woche" Schreiben von Leuten, die sich beschweren, dass sie Papierflyer von Wirten im Briefkasten vorfinden, obwohl sie ausdrücklich keine Werbung wünschen.

Ein weiteres Problem sind die Arbeitsverhältnisse vieler Zusteller. Denn viele Essensboten arbeiten schwarz. Die Prüfer der Krankenkassen haben daher längst ein Auge auf Lieferanten von Pizza, Sushi & Co. geworfen und kontrollieren verstärkt, ob diese auch angemeldet sind.

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