DHL-Express-Austria-Chef: „Gute Chancen, dass Rezession ausbleibt“
Spricht man Ralf Schweighöfer auf eine drohende Rezession an, bleibt er gelassen. Denn eine solche wird zurzeit in erster Linie herbeigeschrieben und -geredet, meint der Chef des Logistikunternehmens DHL Express Österreich.
Betrachtet man Trendanalysen des globalen Handels, so werde eines sofort deutlich: „Der globale Handel hat in den vergangenen Monaten extrem zugenommen. Auch in den nächsten beiden Jahren erwarten wir ein größeres Wachstum im globalen Handel als in den zwei Jahrzehnten zuvor“, sagt Schweighöfer.
Volle Auftragsbücher
Es könne also keine Rede davon sein, dass wir vor einer gottgegebenen Rezession stünden, im Gegenteil: „Ich sehe gute Chancen, dass eine globale Rezession ausbleibt“, so der DHL-Chef. Alle großen Kunden in Österreich hätten noch volle Auftragsbücher, es gebe noch viel abzuarbeiten.
Das wird sich laut Schweighöfer noch bis ins erste Quartal 2023 ziehen. Danach werde viel davon abhängen, ob die Energiepreise wieder sinken oder hoch bleiben. Sollten sie sich wieder auf normalerem Niveau einpendeln, dann, glaubt Schweighöfer, könnten wir uns wieder auf ein normales Wachstum einstellen. Eine weitere Voraussetzung sei, dass der private Konsum wieder anspringe.
Einzigartiger Rückstau
Entscheidend sei die weitere Entwicklung in China. Auch dort würden die Unternehmen noch monatelang brauchen, um ihre Auftragspölster, die durch die Corona-Pandemie und gestörte Lieferketten entstanden sind, abzuarbeiten.
Selbiges gelte für andere asiatische Länder wie Thailand. „Es gibt einen riesigen Rückstau, so etwas hatten wir in der Vergangenheit vor einer Rezession noch nie“, sagt Schweighöfer.
Außerdem herrsche am Arbeitsmarkt beinahe Vollbeschäftigung. In Österreich und Deutschland erlebe er immer wieder, dass Beschäftigte kündigen, ohne schon einen neuen Arbeitsplatz zu haben, da sie sich sicher seien würden, ohnehin bald wieder einen neuen zu finden. Alle Unternehmen würden fieberhaft nach Personal suchen – auch das spreche nicht für eine Rezession, meint Schweighöfer.
Gut vorbereiten
„Das alles soll aber nicht heißen, dass einzelne Betriebe oder Branchen Probleme bekommen können.“ Viele hätten sich inzwischen diversifiziert und angepasst oder neue Geschäftsmodelle gefunden. Wer das bisher nicht getan habe, könnte rasch auf der Strecke bleiben.
Schweighöfer hat deshalb einen guten Überblick über die Wirtschaftslage, weil seine Branche als Indikator für Auf- und Abschwünge gilt. „Vor allem im Expressgeschäft erkennen wir die Trends gut“, sagt Schweighöfer. Deshalb kann er noch viel mehr über die aktuelle Lage ablesen.
Die Zahl der Pakete zeige ihm, dass der B2C-Bedarf zuletzt etwas gesunken sei, nachdem er wegen der Corona-Pandemie extrem angestiegen sei. Österreichische Händler hätten vor allem im grenzüberschreitenden Luxussegment Potenzial, bereits jetzt sehr erfolgreich seien Online-Shops des Hotel Sacher oder des Boardsport- und Lifestyle-Spezialisten BlueTomato.
Wieder mehr Frachtraum
In den Lieferketten macht sich laut Schweighöfer leichte Entspannung breit, es seien wieder mehr Container und mehr freien Frachtraum in Flugzeugen verfügbar. In der Frachtschifffahrt gebe es noch Verzögerungen, Schiffe würden z. B. in Triest drei bis vier Tage auf das Löschen warten, früher sei es ein Tag gewesen.
Beim Lkw-Verkehr herrsche in ganz Europa ein eklatanter Fahrermangel. Dieser sei getrieben durch die Corona-Pandemie, aber auch durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Denn unter den Lastwagenfahrer in der EU hätten sich viele Ukrainer befunden, die Kriegsdienst leisten müssten. Viele Unternehmen würden nun die Fahrer besser bezahlen – was längst an der Zeit gewesen sei, meint Schweighöfer.
Die Spritpreise würden weiterhin volatil bleiben, die Dieselknappheit in Österreich sei den Problemen in der Raffinerie Schwechat geschuldet. Er rechnet damit, dass Kraftstoffe eher teurer als billiger werden, da die CO2-Besteuerung in Österreich noch Luft nach oben habe. In Schweden sei sie circa fünf Mal so hoch.
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