Warum die deutsche Strombeihilfe auch Österreich unter Zugzwang bringt

Für die Unterstützung gelten keine Umweltauflagen, ein Drittel des Stroms in Deutschland kommt aus Kohlekraftwerken.
Mehr als ein Jahr nach Olaf Scholz’ "Doppel-Wumms", hat Deutschland wieder ein massives Energie-Beihilfenpaket angekündigt. Produzierende Unternehmen sollen dadurch nur sechs bis acht Cent pro Kilowattstunde Strom zahlen. Das ist etwa ein Drittel oder ein Viertel des Preises für Haushalte.
Dem sprichwörtlichen Bäcker ums Eck soll das etwa 30.000 Euro pro Jahr bringen, vorausgesetzt sein Ofen funktioniert mit Strom. Für energieintensive Großbetriebe geht es sogar um 150 bis 250 Millionen Euro. In seltener Einigkeit zeigen sich die Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zufrieden – in Deutschland. Denn die anderen europäischen Staaten setzt die Maßnahme unter Zugzwang.
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Hierzulande warnen hingegen Arbeiterkammer (AK) und Hanno Lorenz, stellvertretender Direktor des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria vor einem weiteren „Subventionswettlauf“ in Europa. Und tatsächlich hört man auch in Österreich schon die ersten Begehrlichkeiten. „Das ist dann im Endeffekt nur teurer für alle“, sagt Lorenz im Gespräch mit dem KURIER.
Experten kritisieren Deutschland
Auch gehe es zu Lasten von Staaten, die weniger budgetären Spielraum hätten, gibt der Ökonom zu bedenken. Es sei nicht im Interesse Europas, wenn etwa Deutschland und Österreich Industriepolitik auf Kosten von Italien machen. Dazu kommt, dass Deutschland sich vergangenes Jahr gegen EU-weite Eingriffe in das Strommarkt-Design gestemmt hat.
Das "Strompreispaket" umfasst u. a. eine Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe. Bis 2025 gilt der EU-Mindestsatz von 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Etwa 350 Großverbrauchern werden außerdem für fünf Jahre die Kosten für CO2-Zertifikate ersetzt, für 90 weitere gibt es weitere Entlastungen.
Das Paket kostet den deutschen Staat alleine im Jahr 2024 12 Milliarden Euro.
„Deutschland verfolgt sehr stark das Ziel, seine eigene Industrie zu unterstützen, und Deutschland kann es sich leisten“, sagt Dorothea Herzele von der AK zum KURIER. Der neuerliche Alleingang ist ihrer Meinung nach „schädlich für den Binnenmarkt und die Reputation der EU“. Maßnahmen sollten stattdessen gemeinschaftlich gesetzt werden, etwa eine Reform des europäischen Strommarktes.
Wir brauchen die Industrie in Europa, aber wir müssen sie zukunftsfit machen
Referentin für Energiepolitik der Arbeiterkammer
Der Strompreis ist in Deutschland zwar deutlich höher als in asiatischen Staaten oder den USA, im europäischen Vergleich aber im Mittelfeld. Im weltweiten Wettbewerb, insbesondere mit Asien, müsse Europa aber „über Qualität und Technologie konkurrieren“, sagt Lorenz. Beim Preisniveau habe man ohnehin keine Chance.
Die Unterstützung von Strom in der Produktion kann die Erreichung von Klimazielen unterstützen, weil Strom bisher teurer ist als etwa Gas oder Kohle. Die langfristige Perspektive der Maßnahme ist aber unklar. Denn der Strompreis ist laut der Wettbewerbsbehörde E-Control zwar immer noch etwa doppelt so hoch wie vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, die meisten Experten rechnen in absehbarer Zeit aber nicht mit deutlichen Rückgängen.

Hanno Lorenz, Agenda Austria
Insofern könne hier nicht sinnvoll von einer Überbrückungsmaßnahme die Rede sein, meint Lorenz. Der Anpassungsprozess der Wirtschaft an die veränderten Strukturbedingungen würde dann lediglich verlangsamt. Besser wäre das Geld laut Lorenz in langfristig wirksamen Maßnahmen investiert, etwa in den Ausbau der Stromnetze, eine Senkung der Lohnnebenkosten oder in Bildung.
Prüfung durch EU steht noch aus
Ob die Maßnahmen mit EU-Recht konform sind, muss die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission entscheiden. Möglich ist, dass die verschiedenen Teilaspekte des Pakets unterschiedlich beurteilt werden, schätzt man bei der E-Control.
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Den europäischen Energiemarkt sollten die deutschen Maßnahmen jedenfalls nicht beeinflussen, da vor allem über Gebühren und Steuern eingegriffen wird und nicht in die Großhandelspreise.
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