Der Machtkampf bei der Lufthansa

Die Lufthansa will keine Piloten mehr im Konzern-Tarifvertrag anstellen. Davon profitiert die wesentlich billiger fliegende AUA.
Streiks können das Billig-Konzept nicht verhindern.

Beide Seiten sind geschwächt. Nachdem der härteste Arbeitskampf in der 60-jährigen Geschichte der Lufthansa vergangene Woche von einem Gericht gestoppt wurde, brauchen sowohl Management als auch Pilotengewerkschaft eine Nachdenkpause. Man will wieder miteinander reden, hat aber noch keine Termine.

Der 13. Streik in Folge seit April 2014 hat niemandem etwas gebracht. Wieder 140.000 betroffene und verärgerte Passagiere. Für das Unternehmen diesmal ein Schaden von 35 Millionen Euro, womit sich die Streikwelle schon auf 335 Millionen Euro summiert. Die Macht der Pilotengewerkschaft "Vereinigung Cockpit" ist angeschlagen, aber auch Konzernchef Carsten Spohr ist angezählt. Der Unmut der Kunden, dass der Vorstand die Auseinandersetzung mit den 5400 Piloten nicht in den Griff bekommt, wird immer größer. Sieger sehen anders aus.

Spohr ist wild entschlossen, Europas größten Luftfahrtkonzern um eine Billig-Airline zu erweitern. Nur so sieht er langfristig eine Überlebenschance für die Traditionsairline. Konkurrenten wie Ryanair, easyJet und die staatlichen Carrier vom Golf fliegen der Lufthansa längst davon. Selbst etablierte Mitbewerber haben eine höhere Rendite.

Während der Aktienkurs der Ryanair auf Rekordhöhe segelt, muss die Lufthansa darum zittern, ob sie überhaupt noch im Frankfurter Leitindex DAX bleiben kann oder im September aus dem elitären Klub von Deutschlands Großunternehmen fliegt. Ryanair ist an der Börse derzeit mehr als 16 Milliarden Euro wert – drei Mal soviel wie der Lufthansa-Konzern.

Die Kunden seien nicht mehr bereit, die Gehalts- und Pensionsprivilegien der Lufthansa-Piloten zu bezahlen, tönt Spohr. Weil die Zinsen so niedrig sind, musste das Unternehmen die Rückstellungen für die Pilotenpensionen um 50 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro aufstocken. "Dann ist aber auch die Frage erlaubt, ob die Kunden bereit sind, die Privilegien unseres Vorstandes zu zahlen: Gehalt, Glaspalast, Dienstwagen, Gratisflüge in der First Class für die gesamte Familie", empört sich ein Pilot. Der hemdsärmelige Ryanair-Boss Michael O’Leary residiert in einem Container am Flughafen Dublin.

Spohr will keine Piloten mehr nach den Lufthansa-Tarifverträgen anstellen. Das ist für die Flugzeugführer fatal. Der Bereich, in dem das hohe Lohngefüge samt Altersvorsorge gilt, schrumpft damit.Derzeit zahlt die Lufthansa ihren Co-Piloten 65.000 Euro Grundgehalt zum Einstieg. Nach zehn Jahren bekommen sie 105.000 Euro. Ein Kapitän beginnt mit 136.000 Euro und bringst es nach zehn Jahren auf 189.000 Euro.Die Macht der Pilotengewerkschaft endet allerdings an der Landesgrenze. Weshalb Spohr die Zentrale der konzerninternen Billig-Konkurrenz Eurowings in Wien etablierte. Im Herbst werden die ersten zwei Eurowings-Flugzeuge zur sanierten – oder doch noch nicht so richtig sanierten – AUA überstellt und von Crews der österreichischen Tochter geflogen. Spohr lockt mit weiteren Flugzeugen für Wien. Schon 2016 soll die gesamte Eurowings-Flotte hundert Flieger umfassen. Mit dem neuen Kollektivvertrag hat die AUA die niedrigsten Gehälter im ganzen Konzern. Ein frisch gefangener Co-Pilot steigt mit 53.000 Euro ein. Kapitäne kommen nach zehn Jahren auf maximal 99.000 Euro Grundlohn. Plus in etwa 17 Prozent für Überstunden.

Österreich rollt Eurowings den roten Teppich aus. Wenige Tage vor dem letzten Streik war Spohr auf Besuch bei bei Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. "Sehr konstruktiv" soll die Gesprächsatmosphäre gewesen sein.

Mitterlehner avisierte dem darob sehr erfreuten Lufthansa-Boss die Streichung – oder zumindest die Reduzierung– der heftig kritisierten Ticketsteuer. Die außer Österreich nur noch Deutschland einhebt. Finanzminister Hans Jörg Schelling ist willig. Unklar ist freilich, wie der Ausfall von 100 Millionen kompensiert werden soll.

Passagiere müssen auf der Kurzstrecke sieben Euro, auf der Mittelstrecke 15 und auf der Langstrecke 35 Euro Abgabe zahlen. Davon profitiert der Airport Bratislava, von Wien aus komfortabel in einer knappen Stunde erreichbar. Ryanair zählt in Bratislava bereits acht Millionen Passagiere.

Mitterlehner darf übrigens als kleines Dankeschön im November den ersten Jet der neuen AUA-Embraer-Flotte taufen. Der Name steht schon fest: "Central Europe".

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