Der Kronzeuge im Visier der Justiz

Telekom-Kronzeuge Gernot Schieszler
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gernot Schieszler wegen des Verdachts auf Untreue.

Die Causa hat innerhalb der Justiz außerordentliche Brisanz. Der ehemalige Telekom-Vorstand Gernot Schieszler, 44, ist Österreichs erster und bis heute einziger Kronzeuge. Mit seiner Hilfe konnte die Skandal-Vergangenheit des börsenotierten Großunternehmens aufgedeckt und aufgearbeitet werden. Schieszler, einer der zentralen Player des "Systems Telekom", packte aus und erhielt den Kronzeugen-Status. Er kam mit 120 Stunden Sozialdienst und 300.000 Euro Geldbuße davon.

Ausgerechnet gegen ihren Kronzeugen, der inzwischen bei der steirischen Christof-Gruppe als Vorstand tätig ist, leitet die Staatsanwaltschaft jetzt ein Ermittlungsverfahren ein. Wegen des Verdachts auf Untreue in Zusammenhang mit Auftragsvergaben der Telekom an die SPOT GmbH. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Alles sehr heikel. Daher sicherte sich die Staatsanwaltschaft ab und verfasste einen Vorhabensbericht, der an die Oberstaatsanwaltschaft und das Justizministerium ging. Vor wenigen Tagen bekam die Staatsanwaltschaft von oben grünes Licht, die Ermittlungen einzuleiten.

Der Fall beschäftigt die Justiz schon länger und basiert auf dem Forensik-Gutachten der deutschen BDO. Die Wirtschaftsprüfer wurden vom Aufsichtsrat der Telekom beauftragt, als die hässliche Skandal-Blase aufplatzte. Die Forensiker drehten alles in der Telekom um. Im Bericht "Berater und Agenturverträge", der im Mai 2012 abgeschlossen wurde, nahmen die Prüfer auch die SPOT unter die Lupe.

Sie fanden "keinen Hinweis auf dolose Handlungen, jedoch Hinweise auf Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Beratungsleistungen seitens der SPOT". Insgesamt wurden an die Spot (siehe Faksimile) von 2005 bis 2009 brutto 5,423 Millionen Euro überwiesen.

Der Kronzeuge im Visier der Justiz

Die Auffälligkeiten sind allerdings bemerkenswert. Leistungen wurden deckungsgleich mit anderen Beratungsunternehmen erbracht. Einmal attestierten die BDO-Experten ein überhöhtes Erfolgshonorar von 270.000 Euro. In drei Fällen soll es Zahlungen für Break-up-Fees für Projekte gegeben haben, die nicht fortgeführt wurden. In sieben Fällen wurden die Bestellungen im SAP-System nach Beginn der Leistungen eingebucht, in fünf Fällen davon "sogar nach der Ausstellung der Rechnung durch die SPOT".

Nur ein Chaos in der Buchhaltung? Bei einem derart hohen Auftragsvolumen? Die Bedarfsanforderungen kamen von Schieszler, damals Jungstar im Telekom-Management. Die Freigabe der Rechnungen erfolgte laut BDO in 26 Fällen aus dem Bereich Einkauf. Der war jedoch nicht zuständig. Die Dokumentation der Leistungsnachweise "in Form von beispielsweise angefertigten Schriftstücken, Berichten, E-Mail-Korrespondenzen, Präsentationen, Sitzungsprotokollen, Stundenaufzeichnungen o.ä." konnte von der Telekom nicht vorgelegt werden. Lediglich Schieszler bestätigte die Erbringung der Leistungen. Als nach Schieszlers Abgang die Geldquelle Telekom versiegte, machte die SPOT kein nennenswertes Geschäft mehr.

Die SPOT wurde von Stefan Prochaska gegründet, was bei Anwälten für Klienten durchaus üblich ist. Prochaska ist jener Verteidiger, der für Schieszler den Kronzeugen-Status durchboxte. Als Eigentümer und Geschäftsführer der SPOT scheint der Berater Thomas Scheiner auf. Prochaska war auch Vorsitzender des Aufsichtsrates. Seine Kanzlei PHH arbeitete nicht nur mit der SPOT zusammen, sondern war auch direkt für die Telekom tätig. Scheiner wiederum ging 2006 als Vorsitzender in den Vorstand von Prochaskas Privatstiftung Lasal.

Alles wohlgemerkt, bevor Prochaska die Verteidigung von Schieszler übernahm.

Die Sache ins Rollen brachte der langjährige Haus-Lobbyist der Telekom, Peter Hochegger. Er ist wütend auf Schieszler und dessen Kronzeugen-Status, während er selbst bereits (nicht rechtskräftig) zweieinhalb Jahre Haft ausfasste. Ein auf Grund einer anonymen Anzeige gestartetes Ermittlungsverfahren um die SPOT wurde im Vorjahr eingestellt. Im November 2014 jedoch brachte Hochegger namentlich eine Anzeige gegen den Kronzeugen ein, Ende Jänner legte er mit einer Nachtragsanzeige nach. Schieszler revanchierte sich mit einer Verleumdungs-Anzeige.

Es gebe Schieszler betreffend einige neue Sachverhalte und Aussagen, die geprüft werden müssten, begründet man bei der Staatsanwaltschaft. Auch gegen Scheiner wird ermittelt, es gilt ebenfalls die Unschuldsvermutung.

Prochaska ist überzeugt davon, dass die Causa keinerlei strafrechtliche Relevanz habe. Er verweist auf die BDO, die ja eben keinen Hinweis auf dolose Handlungen feststellte. Das bedeute, dass es keinen Hinweis auf strafrechtlich relevantes Verhalten gebe. Aufgrund des BDO-Berichts habe das Finanzamt die Gebarung der SPOT "eingehend geprüft und keinen Anlass für Beanstandungen gesehen". Er habe als ehemaliger Aufsichtsrat die SPOT nie dominiert (wie in der Nachtragsanzeige angeführt wird), Aufsichtsräte haben kein Recht, Weisungen zu erteilen.

Der Ausgang des Verfahrens ist überhaupt nicht absehbar. Sollte es tatsächlich zu einer Anklage kommen, stellt sich die Frage nach dem Kronzeugen-Status. In Justizkreisen geht man davon aus, dass Schieszler den Status für alle Verfahren behalten könnte, die keinen Bezug zur SPOT haben.Die Neos sorgten sich schon, die Staatsanwaltschaft würde die Causa abwürgen und richteten laut News eine Anfrage an Justiz-Minister Wolfgang Brandstetter. Die Anfrage samt beigelegten BDO-Bericht wurde mittlerweile aus Datenschutzgründen von der Homepage des Parlaments entfernt. Dass die Initiative der Neos die Entscheidung beeinflusst haben könnte, wird in der Staatsanwaltschaft entschieden dementiert. "Das hat aber wirklich gar nichts damit zu tun".

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