Der große Crash der Autoindustrie
Autohersteller erleben derzeit die längste Wachstumsphase in der Geschichte. Doch damit wird es bald vorbei sein, besagt eine aktuelle Studie des Boston Consulting Group (BCG), die dem KURIER vorab vorliegt. Mehrere Indikatoren weisen auf einen Abschwung hin, und dieser wird einer der saftigsten der vergangenen Jahrzehnte sein.
In der EU ist der Autoabsatz seit 2014 jährlich um rund vier Prozent gestiegen, von 14,1 Millionen Einheiten auf 17,3 Millionen im Jahr 2018. Das ist die längste ununterbrochene Wachstumsphase seit 1999. In den USA sind die Zahlen ebenfalls beeindruckend. Von 2010 bis 2018 ist der Absatz um rund 50 Prozent von 11,7 Millionen auf 17,7 Millionen Fahrzeuge gestiegen. Seit den 1950er-Jahren ist die Autoindustrie dort nicht mehr so lang gewachsen.
Schwacher Ausblick
Drei Entwicklungen machen den Herstellern jetzt einen Strich durch die Rechnung. Das sind der schwache wirtschaftliche Ausblick, der nach Rekordverkäufen übersättigte Markt und der Umstand, dass auch finanzielle Anreize, wie Preisnachlässe, nicht mehr ziehen.
Dass die Kauflaune bei den Konsumenten zurückgeht, zeigen auch andere Indikatoren. Die Ausfallrate bei Autokrediten steigt, die Nachfrage nach Führerscheinkursen sinkt und die Zahl von Probefahrten ist in manchen Ländern auf einem Rekordtief – in England ist sie zum Beispiel um 30 Prozent niedriger als 2008.
Teuer schlägt billig
Dass der Abschwung bereits begonnen hat, ist in den USA gut zu erkennen. Dort sind die Absatzzahlen von Jänner bis April 2019 um zwei bis drei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Der Trend wird sich laut BCG bis Jahresende fortsetzen und bei einem Minus von fünf Prozent einpendeln. Bis 2021 soll sich der Rückgang auf bis zu 15 Prozent kulminieren.
Nicht viel besser soll es in Europa ausschauen. In den kommenden zwölf bis 16 Monaten soll sich das Wachstum beim Autoverkauf abflachen, 2021 wird mit einem Rückgang von fünf bis zehn Prozent gerechnet. Dann soll die Talsohle erreicht sein, Wachstum wird erst wieder ab 2022 oder 2023 erwartet. Der Rückgang wird sich auf alle Automodelle auswirken, manche werden stärker als andere betroffen sein.
Teuer geht immer
Bei Premiumfahrzeugen sind die Bremsspuren oft weniger schlimm, da ihre Käufer weniger preissensibel sind. Dieses Schema werde sich auch diesmal bewahrheiten, sind die Autoren überzeugt. Auch werde sich der Rückgang nicht auf den häufigen Umstieg von herkömmlichen Autos auf SUVs auswirken.
Die gute Nachricht für Hersteller und Zulieferer ist: Es bleibt noch genug Zeit, um sich auf die Veränderungen einzustellen, denn der Abschwung wird frühestens in einem Jahr spürbar. Um auf Kurs zu bleiben, müssen die Hersteller andere Produkte anbieten, Produktionskapazitäten anpassen, Bürokratie zurückfahren und stärker auf Digitalisierung setzen. Autohersteller, die den Kopf in den Sand stecken, werden dafür teuer bezahlen und geschwächt aus dem Sturm hervorgehen, so BCG. Vor allem werden sie von Mitbewerbern, die während des Abschwungs investieren, überholt werden.
Österreich ist anders
Die internationale Situation sei mit Österreich nur bedingt vergleichbar, sagt Klaus Edelsbrunner, Obmann des Fahrzeughandels. 2017 und 2018 seien Spitzenjahre gewesen. Daher rege ihn das für heuer für Österreich prognostizierte Minus von zehn Prozent beim Autoverkauf nicht auf.
Derartige Schwankungen seien normal. Außerdem handle es sich um eine Verschiebung. Zwar würden weniger Neu-, dafür aber mehr Gebrauchtwagen gekauft. Entscheidender sei es für Hersteller, bei der Frage nach dem Antrieb der Zukunft – Strom oder Wasserstoff – aufs richtige Pferd zu setzen. Eine falsche Entscheidung könne fatal sein.
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