Der Greißler in der Hosentasche
Die Post steigt mit der Handelsgruppe Pfeiffer in die Hauszustellung von Lebensmitteln ein, Billa weitet das Haustürgeschäft aus und findige Geschäftsleute stapeln Biokist’ln – wahlweise mit Rezeptvorschlägen – vor Wohnungstüren. Noch ist der Web-Verkauf von Essen eine Nische, aber viele hoffen auf das große Geschäft.
Die Frage, wie künftig eingekauft wird, beschäftigt selbst Bauherren. So hat Raiffeisen Evolution mit Zukunftsforschern das Wohnbaukonzept "shop base" entwickelt. Bereits sieben Wiener Wohnhausanlagen mit insgesamt 540 Wohnungen haben einen Zustellraum, in dem jeder Einwohner eine Art Spind hat. Zugang verschafft man sich durch das Eintippen eines einmaligen Codes – diesen vergeben die Bewohner an die Boten. "Schließt der Lieferant die Tür, bekommt der Kunde eine Benachrichtigung, dass die Lieferung da ist", erklärt Ernst Kovacs von Raiffeisen Evolution. Das Konzept werde gut angenommen. In jedem Spind steht auch ein Kühlschrank für Lebensmittellieferungen.
Was bei uns nach ferner Zukunftsmusik klingt, ist in Ländern wie Südkorea längst angekommen. Dort haben Händler bei U-Bahnstationen virtuelle Supermarktregale aufgebaut. Kunden scannen die Codes der virtuellen Waren im Regal mit dem Smartphone, schicken via App die Bestellung ab und bekommen noch am selben Tag das gepackte Einkaufssackerl heim geliefert.
Klopapier und Kiste
Davon ist Österreich noch weit entfernt. Bei Billa entspricht der Online-Umsatz aktuell jenem einer durchschnittlichen Filiale – und davon hat Billa österreichweit mehr als 1000. Ausgeliefert wird derzeit nur im Umland von Wien. Das Service soll aber "in den nächsten Monaten auf Linz, Graz und Salzburg ausgeweitet werden", sagt Rewe-Sprecherin Ines Schurin. Bei Merkur bestellen viele Bürogemeinschaften – schließlich erspart man sich so das Schleppen von Kisten und sperrigem Klopapier. Konkurrent Spar ist – abgesehen vom Weinhandel – im Webgeschäft noch zurückhaltend.
So wie auch viele Kunden. Wer aufs Geld schauen muss, leistet sich keine Zustellgebühren von mehreren Euro pro Einkauf. Allerdings ist aus der Branche zu hören, dass auch Aktionen von Lieferungen um nur einen Euro das Geschäft nicht wesentlich ankurbeln. Offenbar wollen Kunden nach wie vor die Waren sehen, bevor sie sie kaufen.
Kampf ums Kipferl
In China gehört der Onlinehandel bereits zu den am stärksten wachsenden Segmenten der Branche. Ausgelöst haben den Boom Lebensmittelskandale. Neue Anbieter werben beispielsweise nach dem Hühnerfleisch-Skandal damit, dass sie Lebensmittel direkt von den Landwirten vermarkten.
Die Österreicher bestellen Pizza, Sushi & Co am häufigsten telefonisch. Maximal 20 Prozent der Bestellungen gehen online ein, schätzen Branchenkenner. Doch der Markt wächst rasant. Die Anbieter fahren die Ellbogen aus, um ihre Einkommensquellen abzustecken. Bei den Essensbestellplattformen jagt eine Übernahme die nächste.
In Österreich ist Mjam nach Übernahmen zur Nummer 1 aufgestiegen. Die Nummer 2 am Markt, Lieferservice.at, hat aber Appetit auf mehr. „Wir wollen unseren Expansionskurs auch in Österreich fortsetzen. Wir wollen 2015 Mjam überholen“, sagt Jitse Groen, Chef der Lieferservice-Muttergesellschaft Takeaway.com, zum KURIER. Takeaway ist laut eigenen Angaben mit 27.000 angeschlossenen Restaurants die größte Online-Essensbestellseite Kontinentaleuropas. Jährlich gehen zwei Millionen Bestellungen ein.
Wickel mit den Wirten
Auch die Spartenvertreter in der Wirtschaftskammer Österreich beschäftigt die Erhöhung. „Wir lassen von einem Anwalt prüfen, ob eine marktbeherrschende Stellung besteht und ob die Erhöhung missbräuchlich ist“, bestätigt Gernot Liska von der Bundessparte Gastronomie.
Laut Mjam-Chef Turgut Mermertas sind von den 800 Partnerbetrieben nur 250 von der Erhöhung betroffen. Davon hätten die wenigsten Altverträge mit 7 Prozent, das würde sich für Mjam aufgrund der hohen Kosten für Wartung und Werbung gar nicht ausgehen, sagt er: „Wir brauchen 13 Prozent Provision, um in den grünen Bereich zu kommen.“ Täglich beschäftige er sich laut eigenen Angaben mit rund 30 Betrieben, die einen neuen Besitzer oder auch nur eine neue Menükarte haben. Das alles koste Geld. Und nicht alles, was nach einem Geschäft aussieht, ist auch eines, verweist er auf einen Prestigekunden.
McDonald’s liefert in Wien seit einigen Monaten an die Haustüre. Ausgeführt werden die Bestellungen von Mjam, die Zustellgebühr beträgt vier Euro. „Bei jeder Bestellung, die wir von McDonald’s bekommen, müssen wir noch Geld drauflegen“, meint Mermertas. Er hofft aber, dass McDonald’s neue Kunden auf seine Seite lockt.
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