Deloitte schlägt Standort-Alarm: "Österreich steht am Scheideweg"

Deloitte schlägt Standort-Alarm: "Österreich steht am Scheideweg"
Berater will, dass Politik Aufholjagd startet. Ziel müsse sein, mit Steuersenkung, Investitionen und Joboffensive bis 2030 unter Top 5 zu kommen.

Der Wirtschaftsstandort Österreich blicke auf ein "Jahrzehnt des Stillstandes" zurück und die Gefahr des weiteren "Abstiegs sei größer denn je", sagt Deloitte Österreich.

Noch vergibt das Beratungsunternehmen für die Rahmenbedingungen am heimischen Standort insgesamt die Schulnote 3, also Befriedigend. Aber nur im Halbjahreszeugnis, wie Deloitte-Steuerexperte Herbert Kovar sagt. Und meint: "Jetzt müssen wir schauen, dass wir die Klasse auch positiv abschließen."

Das Ergebnis des Deloitte-Standort-Radars, das es bereits zehn Jahre gibt, ist einigermaßen ernüchternd und bezieht sich auf die Analyse der wichtigsten internationalen Standort-Rankings sowie eine Befragung von rund 600 Führungskräften quer durch alle Branchen. Fast jede zweite befragte Führungskraft bewertet dabei die Stimmung am Standort mit "Genügend" oder sogar "Nicht Genügend".

Nur noch Mittelmaß

Und: Im meist beachteten World Competitivness Index aus Lausanne hat Österreich seit 2020 acht Plätze von 16 auf 24 verloren.

Deloitte schlägt Standort-Alarm: "Österreich steht am Scheideweg"

Im Europa-Vergleich kommt Österreich dabei nur noch auf den mittelmäßigen Platz 13. Kleine, mit Österreich vergleichbare Länder wie Dänemark, Irland, Schweiz oder die Niederlande belegen traditionell die vordersten Ränge. Deloitte-Österreich-Chef Harald Breit sagt: "Wir müssen uns an den Besten messen und eine Aufholjagd starten. Dafür müssen zahlreiche Hebel in Bewegung gesetzt werden - angefangen bei der überfälligen Senkung von Steuern und Abgaben, über wirksame Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel bis hin zu Investitionen in Zukunftsfelder."

Steuerexperte Kovar sagt, Klein-Klein helfe dabei nicht mehr weiter. Unternehmen wie Arbeitnehmer müssten endlich dem staatlichen "Steuerschwitzkasten" entkommen. Das Aus für die kalte Progression und die eine oder andere kleinere Steuerentlastung wären nur erste Schritte gewesen. Für eine richtige Aufbruchstimmung müssten die Lohnnebenkosten massiv gesenkt werden und die Sätze bei der Lohn- und Einkommenssteuer vor allem auch im Bereich der mittleren Einkommen schon einmal um fünf Prozentpunkte sinken.

Nicht minder wichtig sei, dass Unternehmen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung haben. Weil Österreich mit 44 Prozent die dritthöchste Steuer- und Abgabenquote in der EU habe und den Menschen viel zu wenig Netto vom Brutto bleibe, boome die Teilzeit und machten Arbeitskräfte aus Osteuropa mittlerweile einen immer größeren Bogen um Österreich. 

Um die "komplexe Situation" zu verbessen sei ein Bündel an Maßnahmen nötig. Ziel müsste sein, die ungenutzten Potenziale am Arbeitsmarkt zu heben, sagt Deloitte-Beraterin Elisa Aichinger. Sie spricht von einem Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuungsangebote für Kleinkinder zugunsten der vielen Mütter in Teilzeit. Sie nennt erleichterte Zuverdienstmöglichkeiten für Pensionisten sowie einen schnelleren Arbeitsmarktzugang und eine Qualifizierungsoffensive für Menschen mit Migrationshintergrund.

Luft zum Atmen

In Summe habe Österreich in den vergangenen Krisenjahren die Zukunftsperspektive verloren und müsse sich jetzt "dringend neu fokussieren", so Harald Breit. Dazu brauche es einen Masterplan der nächsten Regierung, um Österreich bis 2030 unter die Top 5 in Europa zu bringen. Neben vielen anderen Punkten - Energiewende, Bildung, Digitalisierung, Gesundheit etc. - gelte es  auch den oft versprochenen Bürokratieabbau anzugehen. 58 Prozent der Befragten beurteilen die heimische Bürokratie mit "Genügend" oder "Nicht Genügend". Betriebe wie Menschen bräuchten "Luft zum Atmen".

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