Das Netz der Offshore-Aufdecker
910 17th Street NW, Washington DC: Hier ist das Zentrum von „Offshore-Leaks“, hier traf die ominöse Festplatte mit 260 Gigabyte Datenmaterial ein, hier laufen die Drähte von 160 Aufdecker-Journalisten aus der ganzen Welt zusammen. Auf der Festplatte gespeichert sind Informationen über 120.000 Unternehmen und 130.000 Privatpersonen, die ihr Vermögen in zehn Steueroasen angelegt haben. Jetzt geht bei den Steuerflüchtlingen die Angst um, dass die Daten an die Finanzbehörden weitergegeben werden.
Das „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ), ein globales Netzwerk von investigativen Journalisten, ist nicht zufällig in der US-Hauptstadt beheimatet. Die Funktion der Medien als vierte Gewalt im Staat hat hier einen besonders hohen Stellenwert. Vor 40 Jahren deckten die Washington Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein die Watergate-Affäre auf und brachten mit ihren akribischen Recherchen US-Präsident Richard Nixon zu Fall. Während die „Säulenheiligen des Aufdeckerjournalismus“ noch weitgehend auf sich allein gestellt waren, sind die Erben von Watergate weltweit vernetzt.
Globales Projekt
Das ICIJ ist nicht etwa ein loser Journalisten-Club, sondern ein politisches Projekt. Das Ziel: Journalisten aus aller Welt arbeiten gemeinsam an einer Enthüllung, tauschen Daten und Recherchematerial aus. Das Netzwerk sucht seine Mitglieder sorgfältig aus. Die Journalisten werden stets persönlich eingeladen, bei investigativen Recherchen mitzumachen. Die meisten Mitglieder sind US-Amerikaner. Aus Deutschland zählen Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo und Hans Leyendecker vom Ressort „Investigative Recherche“ bei der Süddeutschen Zeitung zum Netzwerk.
Ins Leben gerufen wurde ICIJ 1997 als internationales Projekt des ebenfalls in Washington ansässigen „Center for Public Integrity“ (CPI). Das vom ABC-Reporter Charles Lewis gegründete CPI ist eine gemeinnützige Organisation, die sich laut Eigendefinition zum Ziel gesetzt hat, „Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufzudecken“. Gelungen ist dies etwa mit Aufdeckergeschichten über Tabak-Konzerne oder mit Insider-Büchern über die US-Regierung. Im Fokus stehen zumeist US-Themen.
Reiche Mäzene
Finanziert wird das CPI wie in den USA üblich von Stiftungen. Die wichtigsten Förderer sind etwa die Ford Foundation oder die Knight Foundation. Für Kritik sorgte das Engagement des Milliardärs und Finanzgurus George Soros. Er ließ in den Jahren 2000 bis 2002 insgesamt eine Million Dollar springen, angeblich um mit brisantem Material US-Präsident George Bush zu Fall zu bringen. In Zusammenhang mit „Offshore-Leaks“ erscheint das Engagement von Soros eher pikant. Der wohl berüchtigtste Hedgefonds-Manager der Welt profitiert selbst von Steueroasen. So residiert sein berühmter Quantum-Fonds, mit dem er gegen das britische Pfund spekulierte, auf der Karibik-Insel Curacao.
Die Debatte über die Abschaffung des Bankgeheimnisses in Österreich wird heftiger. Der oberösterreichische SPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Ackerl bezeichnete Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) als „Schutzbefohlene von Steuerdieben“. Mit ihrem Beharren auf dem Bankgeheimnis stelle sich Fekter auf die Seite jener, „die den Sozialstaat demontieren wollen.“ Wer zulasse, dass Gelder ins Ausland verschoben werden, nehme auch in Kauf, dass die Finanzierung von Gesundheits-, Pensions- und Infrastrukturleistungen immer schwieriger werde.
Es liege daher an der SPÖ, die Finanzministerin zum Handeln zu bringen, so Ackerl. „Denn von alleine werden weder sie noch ihre Parteikollegen gegen Geldwäsche und Korruption antreten.“ Bisher war Fekter nicht die einzige im Finanzressort, die für eine Beibehaltung des Bankgeheimnisses eingetreten ist. Auch SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder war auf dieser Linie.
Kritik von Experten
Zuletzt kam Kritik vor allem von Experten. WIFO-Chef Karl Aiginger hat sich in der Samstag-Ausgabe des KURIER für eine Abschaffung des Bankgeheimnisses ausgesprochen. Auch Steuerrechtsexperte Werner Doralt war mit der Position Fekters ganz und gar nicht einverstanden. „Weiß sie es nicht besser, ist es schlimm, weiß sie es aber schon besser, sagt es aber nicht, ist es auch schlimm.“
Vor allem deutsche Politiker wie FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler machen Druck. Sie wollen, das die Daten von „Offshore-Leaks“ den Finanzbehörden zur Verfügung gestellt werden. Das hat das Netzwerk von investigativen Journalisten bisher abgelehnt. Laut Focus haben mindestens 100.000 Deutsche Geld in Steueroasen geparkt.
Zwei Schweizer Banken verschärfen nun die Gangart . Sowohl die Großbank Credit Suisse als auch Julius Bär wollen deutsche Steuersünder loswerden. Ihre Kunden müssen entweder einen Steuerbeleg vorweisen, oder „wir werden uns von diesen Kunden trennen“, erläuterte Marc Dosch, Sprecher der Credit Suisse, die neuen Regeln. Diese gelten auch für Vermögenswerte, die schon vor Jahrzehnten in Schweizer Banken angelegt wurden.
Namen von Prominenten, die auf der Schwarzen Liste stehen, sind bisher kaum bekannt geworden. Der 2011 verstorbene Playboy Gunter Sachs ist einer davon. Die Komponistin von Pophits, Denise Rich, gehört auch dazu. Sie ist seit 2011 österreichische Staatsbürgerin. Ihre Steuerflucht datiert jedoch aus einer Zeit, als sie noch US-Bürgerin war.
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