Das nächste große Ding? "Uber kann überall passieren"
Der Medienhype um Digitalisierung und "Industrie 4.0" sorgt in vielen Betrieben für große Verunsicherung, meint Capgemini-Österreich-Chef Bernd Bugelnig im KURIER-Interview. Die IT-Investments sind eher verhalten. Das könnte sich bald rächen.
KURIER: Sie haben kürzlich IT-Verantwortliche heimischer Unternehmen gefragt, wo sie 2016 investieren werden. Die wichtigsten Erkenntnisse?
Bernd Bugelnig: Es wird mehr in Modernisierung und Aktualisierung von bestehenden IT-Systemen investiert, aber weniger in neue Lösungen. Wollten 2014 noch 21 Prozent der Unternehmen in neue Systeme oder Technologien investieren, so sind es jetzt nur noch 17 Prozent.
Sind die Firmen vorsichtiger in Bezug auf die Digitalisierung geworden?
Die IT-Verantwortlichen wissen nicht genau, in welche Richtung es geht. Das Thema Digitalisierung ist sehr komplex. In dieser Situation wird vorsichtig agiert und eher das Bestehende aktualisiert als etwas Neues ausprobiert. Der rote Faden, der gemeinsame Weg im Unternehmen, fehlt meistens.
Eher eine gewisse Verunsicherung. Im Vorjahr waren die IT-Chefs jedenfalls noch optimistischer, das Thema Digitalisierung war aber auch in aller Munde.
Von Verunsicherung profitieren ja gerade Berater wie Capgemini. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Eine digitale Transformation lässt sich mit bloßen Updates nicht bewerkstelligen, so viel ist klar. Wir raten Firmen, sich Gedanken zu machen, wie sie das Thema Digitalisierung angehen. Wir empfehlen eine Bündelung und zentrale Steuerung der einzelnen Digitalisierungsschritte in einer eigenen Unit im Unternehmen. Es braucht eine Gesamtstrategie, um Marketing, Vertrieb und IT gezielt zusammenzuführen. Also die Digitalisierung quasi unter einen Hut bringen.
Welche Branchen sind am meisten gefordert?
Jene, wo die Mobilität des Konsumenten am größten ist. Das betrifft vor allem die Finanzwelt – Stichwort social banking oder mobile banking – und ganz besonders den Handel. Ich bin hier ein gutes Beispiel: Heuer habe ich 90 Prozent der Weihnachtsgeschenke im Internet bestellt. Zum Großteil bei österreichischen Händlern.
Waren Sie als Kunde zufrieden? Wo herrscht bei heimischen Webshops Nachholbedarf?
Es geht um ein einfaches Handling, gute Übersicht, Service. Ich finde, die österreichischen Händler haben hier stark aufgeholt. Die Gefahr besteht eher, dass völlig neue Geschäftsmodelle entstehen. Man denke nur an den Online-Taxidienst Uber. So etwas kann auch in anderen Bereichen passieren. Immer bedeutender wird das Thema Big Data, also die gezielte Auswertung und Nutzung von Kundendaten.
Ein heißes Thema ist die elektronische Preisauszeichnung, Stichwort digitale Preisschilder. Werden sich auch im stationären Handel die Preise bald minütlich ändern?
Die Preisgestaltung wird immer flexibler, keine Frage. Permanent wechselnde Preise sind hier aber nicht so einfach möglich wie online. Niemand wird akzeptieren, dass sich ein Preis vom Regal bis zur Kassa ändert. Diverse Anreize wie Aktionen, Gutscheine, aber auch der ständige Preisabgleich mit der Konkurrenz werden die Entwicklung noch beschleunigen.
Eine Form der Digitalisierung ist ja auch die Registrierkassenpflicht. Hier gibt es zum Teil großen Widerstand. Haben Sie Verständnis dafür?
Na ja, das kleine Stehbeisl oder der Hüttenwirt sieht nicht gerade einen Nutzen darin, daher ist der Unmut über die zusätzliche Bürokratie verständlich. Das ist aber eher eine Flucht vor der vollen Steuertransparenz als eine Innovationsfeindlichkeit.
Große Umbrüche gibt es auch bei den Banken, die Filialen schließen und ihre Web-Services forcieren. Ist das klassische Bankgeschäft am Ende?
Die Filialschließungen werden sicher fortgesetzt werden. Banken werden sich auf Spezialthemen des Bankings konzentrieren und nicht mehr alles selbst machen. In anderen Branchen ist diese Arbeitsteilung schon weiter fortgeschritten, etwa bei den Versandhändlern, die die Logistik vielfach anderen überlassen. Wer sich dem Trend zur Spezialisierung verschließt, wird früher oder später Schwierigkeiten bekommen.
Wird durch die Digitalisierung irgendwann auch das Bargeld verschwinden?
Rein technisch ist das kein Thema mehr, aber da machen nie alle mit. Mobile Payments, etwa kontaktloses Bezahlen mit dem Smartphone, wird noch weiter zunehmen.
Zur Person: Bernd Bugelnig
Capgemini ist mit 180.000 Mitarbeitern in mehr als 40 Ländern einer der weltweit führenden Anbieter von Management- und IT-Beratung, Technologie-Services sowie Outsourcing-Dienstleistungen. Im Jahr 2014 betrug der Umsatz der Capgemini-Gruppe 10,6 Mrd. €.
Bernd Bugelnig (52), gebürtiger Kärntner, leitet seit Oktober 2015 die Österreich-Niederlassung von Capgemini mit rund 100 Mitarbeitern.
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