Das Geschäft mit dem Bart: Haarige Fakten
Wer den Salon betritt, fühlt sich wie aus der Zeit gefallen und in einem britischen Männerclub gelandet: mächtige Fauteuils, dunkle Wandtäfelung, Plattenspieler, Herrenmagazine. Auf Wunsch werden Whisky, Gin-Tonic oder Craftbeer kredenzt. Wer einen langen Bart hat, soll sich hier umsorgt fühlen. Die im angelsächsischen Raum gängigen Barbershops haben sich in Österreich breit gemacht. Etwa 30 auf Männer spezialisierte Salons gibt es bereits, etwa ein Drittel davon in Wien.
Groß geworden sind die neuen Barbiere mit der Hipster-Mode. Diese modernen Individualisten kennzeichnet (Ironie!) ein recht uniformer Look, zu dem neben der Hornbrille, Pomade, Flanellhemd, Tätowierungen und Stoffbeutel der akkurat gestutzte Bart gehört. Dafür investiert Mann bis zu eineinhalb Stunden Zeit und 90 Euro (Rasur, Haarschnitt, Drink).
Neu ist das nicht, „aber ein super verpacktes Konzept“, sagt Wolfgang Eder, Innungsmeister der Friseure. Tatsächlich war der Barbier in den 1920ern normal. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich Männer außer Haus pflegen. „Die Jugend kennt das aber nicht mehr.“ In den strubbeligen 60er und 70ern verschwand der gepflegte Mann, der Friseur mutierte zum Damensalon. Jetzt ist die männliche Eitelkeit zurück und gipfelt im Trend zum reinen Männersalon.
Ein Dutzend Bartöle
Das Gros der 300 Herrenfriseure hat jedoch einen anderen Hintergrund. Türkische und syrische Friseure ohne Damenausbildung können eine auf Herren beschränkte Gewerbezulassung lösen. Sie bedienen freilich eine andere Klientel; Hipster mit Migrationshintergrund sind selten.
In den Spiegel schauen aber alle gern. Die dm-Friseurstudios verzeichneten im letzten Jahr bei Bartstylings gut 20 Prozent Plus. Gut sortierte Drogerien führen ein Dutzend Bartöle. Der Markt für Bartpflege sei „relativ gering, aber mit sehr positiven Wachstumsraten“, heißt es bei BIPA. Auffälliger Trend: Rasierer verkaufen sich besser, sobald sie eine Trimm- oder Stylingfunktion haben.
Amerikaner rasieren ohne Strafzoll
Der US-Präsident kreuzt bekanntlich ganz gerne die Klingen. Um ein Haar hätte Trumps Handelskrieg in die Badezimmer der US-Amerikaner Einzug gehalten. Die Strafzölle auf Stahlimporte in die USA betrafen nämlich auch Nassrasierer. Der Stahl für die Klingen kommt aus Japan und Schweden – und war somit ab März schlagartig um 25 Prozent teurer geworden.
Die drohende Teuerung ist nun allerdings für die meisten Verbraucher gebannt. Der Konsumgüterkonzern
Procter & Gamble (P&G) erhielt im Oktober vom US-Handelsministerium eine Ausnahme von den Strafzöllen bewilligt. Die Begründung der Behörde: Die erforderlichen Stahlqualitäten, die P&G für seine Nassrasierer der bekannten Marken Gillette und Venus braucht, seien auf dem US-Markt schlicht nicht erhältlich.
Haarscharf kalkuliertP&G ist zwar mit einem Marktanteil von 65 Prozent (laut Eigenangabe) mit Abstand Weltmarktführer bei Klingen und Nassrasierern. Dennoch konnte der Konzern die höheren Einkaufspreise nicht an die Konsumenten weiterverrechnen, weil sich die Wettbewerbssituation deutlich verschärft hat. „Die Zölle hatten definitiv finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen, wir geben dazu aber keine Zahlen bekannt“, bestätigte ein Unternehmenssprecher.
Trend zum Online-Versender
P&G-Rivale Edgewell (Wilkinson, Schick) hatte seine Zoll-Ausnahme schon seit Mitte Juni im Rasierkoffer.
Lästig fallen den Riesen obendrein Direktversender, die Rasierer und Klingen über Abomodelle zu Diskonttarifen vertreiben. Unilever hatte 2016 um eine Milliarde Dollar das kalifornische Start-up Dollar Shave Club übernommen und wurde so zu einem gewichtigen Player. Andere Anbieter wie Harry’s setzen aufs selbe Vertriebskonzept.
Obendrein schrumpft der Markt. Seit Drei-Tages-Bärte bei Geschäftsleuten salonfähig sind, greift Mann nämlich seltener zur Klinge: Statt 3,7 Mal pro Woche vor zehn Jahren nur noch 3,2 Mal – um zwei Mal seltener pro Monat.
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