Das Geschäft mit dem Abriss des Atomkrafwerkes

Sicherheitstraining in strahlungsfreier Umgebung: In Zwentendorf üben Techniker den Rückbau von Kernkraftwerken
40 Jahre nach Volksabstimmung wird Kraftwerk Schulungszentrum für „risikofreien AKW-Abbau“

Atomkraftwerk Isar 1 in Niederbayern nahe Landshut: Block 1 wurde vor Jahren abgeschaltet, seit mehr als einem Jahr wird am Rückbau gearbeitet. „Zurück zur grünen Wiese“, lautet die Devise der deutschen Atomkraftwerks-Abriss-Experten. Bis es aber so weit ist, werden noch Jahre vergehen.

2032 erst soll die Demontage des Gebäudes erfolgen. Jetzt werden einmal die konventionellen Teile des Kernkraftwerks abgebaut. Von außen sieht man daher noch gar nichts. Frühestens 2023 geht es ans Eingemachte. Dann sollen sich die Spezialisten an den radioaktiven Teil herantasten. Der Kernreaktor muss Schraube für Schraube, Ventil für Ventil zerlegt, auf Verstrahlung geprüft und in unterschiedliche Chargen aufgeteilt werden. Rund 20.600 Tonnen, so schätzen die Experten, können dekontaminiert und recycelt werden, 3400 Tonnen hochverstrahltes Material müssen in sicher abgeschlossene Zwischenlager und irgendwann einmal in Endlager. Diese Frage ist völlig ungelöst.

Mindestens eine Milliarde Euro kostet der Abriss von Isar 1 die Betreiberfirma PreussenElektra. Kein Wunder, dass AKW-Abriss-Unternehmen ein Riesen-Geschäft wittern. Denn in Deutschland müssen alle AKW bis Ende 2022 stillgelegt werden. Auf 20 Milliarden Euro werden die Kosten für den Rückbau der deutschen Kernkraftwerke geschätzt. Weltweit werden in den nächsten Jahren laut Internationaler Energieagentur (IEA) etwa 200 Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen. Sie erreichen das Ende der genehmigten Betriebsdauer und müssen abgerissen werden. Mindestens eine Milliarde Euro veranschlagt die IEA für diese Demontagen. Nutznießer davon sind großteils die Atomkonzerne selbst: Westinghouse etwa oder die französische Areva nehmen sich bereits dieses Marktes an.

Gefahrenlos

Ein kleines Stückchen dieses AKW-Abriss-Marktes will sich der niederösterreichische Energieversorger EVN schnappen. Er hat mit dem Kraftwerk Zwentendorf nämlich etwas ganz Besonderes anzubieten: ein AKW, das strahlungsfrei ist. Das radioaktive Uran kam wegen des Widerstands der Österreicher nie zum Einsatz. Das Atomkraftwerk aber ist in allen Einzelheiten fertig gebaut worden. Reaktorturm, Reaktorkern, Turbinen – alles da. „Wir bieten das Kraftwerk internationalen Abriss-Experten zu Schulungszwecken an“, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. In Zwentendorf könnten sie gefahrlos alles ausprobierten, Bauteile angreifen, die sie in AKW, die in Betrieb waren, niemals berühren dürften. Die Gefahr der Verstrahlung wäre zu groß. „Die Experten können die Demontage üben und Optionen für den Abriss der verstrahlten Kraftwerke entwickeln“, meint Zach. Denn im Realfall würden zum Teil Roboter zum Einsatz kommen, um Menschen nicht in Gefahr zu bringen. Für das Programmieren dieser Roboter aber sei es vorteilhaft, einiges selbst probiert zu haben. In das Innerste des AKW, den 25 Meter hohen Reaktor, könnten Menschen im Normalfall nicht vordringen.

Geeignet ist das Abbau-Training in Zwentendorf jedenfalls für Fachleute, die AKW gleichen Bautyps abreißen müssen. In Zwentendorf handelt es sich um einen Siedewasserreaktor. Fünf der deutschen AKW, die bis auf eines bereits stillgelegt sind, sind von dieser Bauweise. Auch in der Schweiz steht ein AKW mit Siedewasserreaktor. Während in Deutschland wie auch in Österreich diese Art von Kraftwerke eine genehmigte Betriebsdauer von 30 Jahren hatten, stehen die Schweizer Behörden auf dem Standpunkt, dass ihr Kraftwerk 60 Jahre laufen darf.

Die EVN hofft dennoch, mit dem Angebot des sicheren Abriss-Trainings in Zwentendorf einen Teil ihrer Fixkosten am Standort einspielen zu können. Laut Zach sind das 400.000 bis 500.000 Euro jährlich.

Das Geschäft mit dem Abriss des Atomkrafwerkes

Zwentendorf feiert heuer 40 Jahre Volksabstimmung

"Wichtigstes Nein unseres Lebens"

Weder die E-Wirtschaft noch die damalige Regierung unter Kanzler Bruno Kreisky hatten damit gerechnet: Am 5. November 1978 lehnten die Österreicher  die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf ab.

Heute, 40 Jahre später, nutzt die EVN – seit 2005 Alleineigentümerin – das inzwischen mit einer Solaranlage am Dach  ausgestattete Kraftwerk als Veranstaltungsort, für kostenlose Führungen und Schulungen.   Für die nächsten Wochen aber sperrt der  Energieversorger das „AKW-Denkmal“ für Besucher. Das AKW wird herausgeputzt für die große Feier im Herbst. Unter dem Motto „Das wichtigste Nein unseres Lebens“ wird in Zwentendorf das Jubiläum begangen. Übrigens: Wäre das AKW in Betrieb gegangen, müsste es längst stillgelegt sein: Die genehmigte Betriebsdauer betrug  30 Jahre.

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