Comeback der Genossenschaften
Wirtschaft geht auch anders. "Ich hatte das Gefühl, dass Betriebe unter den globalisierten Bedingungen immer weniger selbst gestalten können", erzählt Marianne Gugler, Unternehmenberaterin und Mitgründerin der Otelo Genossenschaft. Otelo steht für "Offenes Technologielabor" und bietet Dienstleistungen in der Bereichen Regionalentwicklung, Beratung, neue Technologien und Bildung an. Neun Gründerinnen und Gründer sowie drei Vereine schlossen sich zusammen und teilen seither nicht nur die Räumlichkeiten , sondern auch ihr Wissen.
Otelo ist eine sogenannte "Beschäftigungsgenossenschaft". Die Unternehmensform ist zwar (noch) wenig bekannt, stößt aber bei Selbstständigen auf der Suche nach Alternativen zum herrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystem auf zunehmendes Interesse. Der große Vorteil ist nämlich, dass sich die Mitglieder der Genossenschaft von dieser anstellen lassen können. Bei Otelo etwa sind fast alle Mitglieder angestellt – und damit sozial gut abgesichert. "Wir sehen Otelo als Vorbild für andere Genossenschaften", sagt Gugler. Gerade für Einzelkämpfer seien Netzwerke und Kooperationen enorm wichtig. In Vorträgen quer durchs Land wirbt sie für die Idee der Genossenschaft. Unterstützt wird sie dabei von der Grünen Wirtschaft.
Renaissance
Die ursprüngliche Genossenschaftsidee, Miteigentümer zu sein und zugleich mitbestimmen zu können, stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Unter dem Motto "Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele" (F.W. Raiffeisen) stand auch die gegenseitige Hilfe in Not im Vordergrund. Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise erlebt die als verstaubt geltende Rechtsform vor allem in den Ländern Südeuropas eine Renaissance – auch durch EU-Förderungen. In Deutschland löste die Energiewende zuletzt einen regelrechten "Hype" aus. Allein im Bereich erneuerbare Energieträger entstanden 800 Genossenschaften mit mehr als 200.000 Mitgliedern.
"Mir fällt eigentlich nichts ein, was man nicht als Genossenschaft gründen könnte", sieht Gugler mannigfaltige Einsatzmöglichkeiten. Wichtig sei, dass gemeinsame Ziele und Werte verfolgt würden. Und wer ist jetzt Chef/in einer Genossenschaft? Gugler lächelt: "Es gibt keinen Chef, aber klare Zuständigkeiten."
Welche Genossenschaften gibt es überhaupt?
Bei dem Wort Genossenschaft denken viele an Banken oder Wohnbau. Doch es gibt eine große Vielfalt.
Kreditgenossenschaft: für Spareinlagen, Kredite
Einkaufsgenossenschaft: für günstigere Konditionen
Produktionsgenossenschaft: für die Produktion und Vermarktung von Produkten
Produktivgenossenschaft: für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region
Beschäftigungsgenossenschaft: für Mitunternehmertum und Anstellung (z.B.Otelo)
Energiegenossenschaft: für dezentrale ökologische Energiegewinnung
Dienstleistungsgenossenschaft: für die Nutzung spezieller Dienstleistungen
Kommunale Genossenschaft: für gemeinsame Versorgungsstrukturen
Arbeitgeberzusammenschlüsse (AGZ): Wirtschaftsprofessor Dietmar Rößl sieht hier großes Potenzial, um Personalkapazitäten flexibler zu organisieren und damit Jobs zu schaffen.
Um eine Genossenschaft zu gründen, braucht es mindestens zwei Personen, einen Förderzweck, ein Geschäftsmodell und eine Wirtschaftlichkeitsrechnung. Die Mindesteinlage beträgt 2 Euro, empfohlen werden aber 5000 bis 8000 Euro. Jedes Mitglied zahlt einen Genossenschaftsbeitrag ein, der das Eigenkapital bildet. Unabhängig von der Höhe der Anteile hat jedes Mitglied eine Stimme und damit Mitspracherecht. Ein Ausstieg ist jederzeit möglich. Das finanzielle Risiko im Falle des Scheiterns ist auf das Doppelte der Einlage beschränkt.
In Österreich gibt es rund 2000 Genossenschaften mit 3,3 Mio. Mitgliedern. Sie werden von vier Revisionsverbänden geprüft: Raiffeisenverband, Genossenschaftsverband (ÖGV), gemeinnützige Bauvereinigungen (GBV) und Konsumgenossenschaftsverband.
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