Chipmangel könnte Motor bei BMW ins Stottern bringen
Der Münchner Autobauer BMW stellt sich nach einem kräftigen Plus bei Umsatz und Gewinn wegen des weltweiten Chipmangels auf ein schwierigeres zweites Halbjahr ein. Mit zunehmender Dauer der Engpässe werde die Situation angespannter, sagte Finanzvorstand Nicolas Peter am Dienstag. Auch im zweiten Halbjahr sei mit Produktionseinschränkungen und damit verbundenen Auswirkungen auf den Fahrzeugabsatz zu rechnen.
In der ersten Jahreshälfte profitierten die Münchner von der weltweit starken Nachfrage nach Autos. Der Umsatz verbesserte sich in den ersten sechs Monaten um 28 Prozent auf 55,5 Milliarden Euro, der Nettogewinn schnellte auf 7,6 Milliarden Euro von 362 Millionen nach oben.
Rückstellungen aufgelöst
Dabei spielte eine Rolle, dass BMW die Rückstellung für das EU-Kartellverfahren wegen Absprachen rund um die Abgasreinigung von Dieselautos auflösen konnte, nachdem die Strafe geringer ausgefallen war als angenommen. Doch auch höhere Gebrauchtwagenpreise kamen dem Autobauer zugute. Insbesondere im US-Markt konnten Leasing-Rückläufer zu höheren Preisen verkauft werden.
In der ersten Jahreshälfte hatte sich der Halbleitermangel bei BMW weniger stark ausgewirkt als bei vielen anderen Autobauern. Doch inzwischen mussten auch die Münchner Bänder stilllegen, viele Tausend Autos konnten nicht produziert werden. Dennoch dürfte die Zahl der Auslieferungen solide über dem Niveau des Vorjahres liegen, erklärte das Unternehmen. Die Gewinnmarge im Segment Automobile werde daher im Gesamtjahr das obere Ende des Korridors von sieben bis neun Prozent erreichen. In der ersten Jahreshälfte hatte sie bei 13 Prozent gelegen.
Daimler verlängert Produktionsstopps
Auch Mitbewerber Daimler kämpft weiter mit dem Chipmangel und hat die zumindest teilweisen Produktionsstopps in seinen Werken in Bremen und Sindelfingen bis Ende dieser Woche verlängert und lässt damit tausende Mitarbeiter in der Kurzarbeit. Das sagte eine Konzernsprecherin am Dienstag in Stuttgart auf Anfrage und begründete das mit der anhaltenden Halbleiter-Krise in der Fahrzeugbranche. Zunächst hatten "Stuttgarter Nachrichten" und "Stuttgarter Zeitung" darüber berichtet. Zahlen zu betroffenen Mitarbeitern nennt Daimler nicht.
Die Produktion in den Mercedes-Werken in Bremen sowie teils in Sindelfingen ist bereits seit vergangener Woche unterbrochen, hätte ursprünglichen Angaben zufolge aber diese Woche wieder aufgenommen werden sollen. Abseits dessen bleibt wie geplant vorerst auch die Produktion in den Werken in Rastatt und im ungarischen Kecskemet ausgesetzt. In Rastatt soll es nächste Woche weitergehen, in Kecskemet Mitte August.
Immer wieder Kurzarbeit
In Bremen werden vor allem die C-Klasse und der Geländewagen GLC produziert, in Sindelfingen rollen neben der E-Klasse beispielsweise auch die S-Klasse sowie deren elektrisches Pendant EQS vom Band. Die Produktion von letzteren beiden gewinnträchtigen Modellen läuft nach Konzernangaben aber wie gehabt weiter.
Im Bremer Werk sind mehr als 12.000 Menschen beschäftigt, in Rastatt rund 6.500, in Kecskemet etwa 4.700 und in Sindelfingen 25.000. Mitarbeiter dieser vier Standorte waren in den vergangenen Monaten vorübergehend immer wieder in die Kurzarbeit. Hintergrund sind weltweite Probleme beim Nachschub von Elektronik-Chips, die auch andere Autokonzerne zu Unterbrechungen der Produktion zwingen.
Umfrage
Die deutschen Autobauer und ihre Zulieferer beklagen den größten Materialmangel seit 30 Jahren. 83,4 Prozent der Unternehmen spürten im Juli das Fehlen von Vorprodukten wie Chips, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag unter Berufung auf seine Unternehmensumfrage mitteilte. Das ist der höchste Wert seit dem Jahr 1991. Im April klagten nur 64,7 Prozent über Engpässe.
"Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer sind vom Mangel bei Vorprodukten betroffen", führte der Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, Oliver Falck, aus. "Dies führt zu Produktionsstillständen. Insbesondere die Engpässe bei den Halbleitern werden wohl noch eine Weile anhalten." Die Zulieferer füllten deshalb ihre Lager bewusst auf. Die Bestände fertiger Pkw bei den Herstellern seien hingegen gering.
Trotz dieser Probleme laufen die Geschäfte derzeit so gut wie seit drei Jahren nicht mehr. Das Barometer für die Geschäftslage stieg im Juli um 11,9 auf 56,8 Punkte. Das ist der beste Wert seit Juli 2018. Auch die Erwartungen legten zu: Hier kletterte das Barometer um 2,7 auf 6,3 Punkte. "Die Nachfrage in Asien und den USA ist weiter sehr stark, das Vorkrisenniveau ist in Reichweite", sagte Falck. "In Europa sind wir hingegen ein ganzes Stück davon entfernt."
Erstmals seit Dezember 2018 wollen die Autobauer ihren Personalbestand ausweiten. Dieser Indikator stieg auf plus 5,2 Punkte von minus 19,3 im Juni.
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