"Chinas Wirtschaft wächst nur vier Prozent"

Lieber doch mit dem Fahrrad. Der Nachfrage-Boom nach westlichen Autos ist vorerst verebbt.
Fernost-Experte Raymund Gradt sieht auf Jahre hin nur mageres Wachstum. Dies trifft vor allem die Autoindustrie.

Erst in der Vorwoche bekräftigte die Regierung in Peking ihre Wachstumsziele. Trotz der jüngsten Börsenturbulenzen werde das Wirtschaftswachstum heuer sieben Prozent betragen, wird offiziell versichert. Eine Ziffer, die viele Wirtschaftsexperten anzweifeln, aber nur wenige wagen eigene Prognosen. Raymund Gradt hat damit kein Problem. "Ich habe das durchgerechnet und komme auf ein tatsächliches Wirtschaftswachstum von nur vier Prozent", sagt der Fernost-Experte, der zuletzt sieben Jahre als Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Schanghai tätig war.

Abschwung

Gradt beobachtet bereits seit zwei Jahren einen Wirtschaftsabschwung und hält vor allem die Immobilienbewertungen nach wie vor für viel zu hoch. "China wird in absehbarer Zeit kein zweistelliges Wachstum mehr haben, ich rechne eher mit drei bis fünf Prozent", so Gradt. Für ein Land, das kein Entwicklungsland mehr sei, nicht außergewöhnlich.

Dennoch gebe es im Reich der Mitte zahlreiche Strukturprobleme. Die gigantische Verschuldung der Provinzen und Kommunen belaste die Entwicklung ebenso wie die enorme Umweltverschmutzung und die Demografie – wegen der Ein-Kind-Politik droht Arbeitskräftemangel. Nur geringe Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat laut Gradt der jüngste Börsencrash. "Der Kapitalmarkt hat sich von der Realwirtschaft völlig abgekoppelt, da hat es nur die Gambler erwischt." Währungsabwertung und schlechte Stimmung führen aber zu einer Kaufzurückhaltung im Land, die vor allem die Autoindustrie treffe.

VW und GM leiden

Etwa zwei Drittel des Autoabsatzes entfallen auf ausländische Marken, vor allem aus Deutschland und den USA. Am stärksten betroffen von der sinkenden Nachfrage seien General Motors (GM) und Volkswagen (VW). Gradt rechnet hier auch mit Auswirkungen auf die österreichische Zulieferindustrie. "Der Automotive-Bereich ist der wichtigste Zweig österreichischer Unternehmen in China", sagt Gradt.

Der Abschwung wirkt sich auch bereits auf das Außenhandelsdefizit mit China aus. Im ersten Halbjahr sanken die Exporte nach China um 3,3 Prozent auf 1,6 Mrd. Euro, die Importe stiegen um 11,5 Prozent auf 3,7 Mrd. Euro. Was in der Bilanz nicht aufscheint: Viele Autozulieferer liefern nicht direkt nach China, sondern zu den Autofirmen nach Deutschland.

Kommentare