Chinas Online-Handel kommt in Fahrt

Bis zu 20 Züge mit jeweils 40 vollen Containern bringen täglich Nachschub aus China nach Duisburg.
Eine neue Zugverbindung ermöglicht raschere Lieferung nach Europa. Die Riesen bauen ihr Geschäft aus.

Während US-Präsident Trump Mauern hochziehen will, bahnt sich China den Weg nach Europa. Peking baut eine neue, 11.179 Kilometer lange Bahnverbindung von Chongqing im Südwesten Chinas bis nach Duisburg aus. Die Regierung räumt dem Projekt höchste Priorität und ein Budget von 100 Milliarden Dollar ein. Bis zu 20 Frachtzüge mit mehr als 40 Containern voller Elektronikartikeln, Plastikspielzeug und T-Shirts sind täglich im Anrollen, schreibt Die Welt. Am Rückweg nehmen die Züge Milchpulver und Autos für China mit.

Chinas Online-Handel kommt in Fahrt
Wer Ware mit dem Zug auf die neue Seidenstraße schickt, fährt um ein Drittel billiger als mit dem Flieger. Gleichzeitig ist der Zug relativ schnell unterwegs. Die Strecke von 11.179 Kilometern schafft er in gut zwei Wochen und ist damit doppelt so schnell wie ein Containerschiff. Mit dem Ausbau der Strecke wird der Zug auch immer schneller. Und mit ihm die Packerln des chinesischen Versandhändlers Alibaba, auf deren Zustellung europäische Kunden derzeit noch einen Monat warten.

"Liefert Alibaba über die Seidenstraße, wartet der Kunde nur noch zwei Wochen", sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes und damit Interessensvertreter von großen Handelskonzernen in Österreich. Er sieht den eCommerce als Treiber der Weltwirtschaft und einheimische Händler immer mehr unter Druck. Bei uns ist Alibaba noch fast unbekannt. Der Händler setzte aber allein im letzten Quartal 7 Mrd. Euro um und will heuer um 54 Prozent wachsen. "Die Top 10 Handelsunternehmen in Österreich sind binnen drei Jahren um 40 Prozent gewachsen, der Gesamtmarkt aber nur um vier Prozent", rechnet er vor. Sprich: Riesen wie Amazon bauen ihr Geschäft überproportional aus.

Marktmacht Amazon

Will: "In Österreich hat Amazon seinen Umsatz binnen drei Jahren um 55 Prozent auf knapp 600 Millionen Euro gesteigert." Darin enthalten sind auch Lizenzerlöse, also Geschäfte, die Händler über Amazon-Plattformen gemacht haben. Will schätzt die Lizenzumsätze auf bis zu 60 Millionen Euro. "Bei einer Vermittlungsgebühr von zehn Prozent würde das bedeuten, dass Umsätze von rund 1,2 Milliarden Euro über Amazon-Plattformen laufen." Klingt nach einem Geschäft, auch für heimische Händler. Fraglich ist, für wie lange. Amazon beobachtet genau, was sich zum Bestseller entwickelt. Verkauft sich ein Bohrmaschine besonders gut, bezieht sie Amazon bald direkt beim Hersteller und schaltet damit den Zwischenhändler aus. Aufgrund der großen Menge kauft Amazon billig, spart zudem Provisionszahlungen an Händler und tritt noch preisaggressiver auf. "Online sind kaum reguläre Preise möglich. Die Margen gehen gegen Null." Studien, wonach bis 2020 zwei Drittel aller Technikhändler (Stand 2012) vom Markt verschwinden werden, hält er für realistisch. "Auf Dauer ist es ergebnismäßig nicht durchzuhalten, wenn man für wenig Gewinn viel Umsatz macht." Sieger seien die Monopolisten, die von Venture-Capital-Gebern finanziert werden.

"Es kann leicht passieren, dass nur ganz große Marktplätze wie Amazon oder Alibaba überleben", fürchtet Will. Sie bieten Konsumenten ein bequemes Einkaufen und Produzenten die Möglichkeit, eine Wertschöpfungsstufe auszuschalten – den Handel.

Liefern um jeden Preis

Will sieht in der EU Handlungsbedarf. Die Regulierungspakete würden trotz Handschrift der Konsumentenschützer langfristig ebendiesen schaden, da der Mittelstand vom Markt verdrängt wird. Etwa die geplante Regelung zum Geoblocking, wonach ein Onlinehändler an alle EU-Bürger verkaufen muss. "Der Super-GAU für kleine Betriebe, die sich dann mit Gesetzeslagen in 27 Ländern auseinandersetzen müssen. Und der Traum von Riesen, die Hunderte Anwälte beschäftigen." Zudem müsse das Schlupfloch der "Hilfsstätten" gestopft werden. Ausländische Versandhändler, die in Österreich nur eine Hilfsstätte (eine lagerartige Halle) anmelden, ersparen sich hierzulande die Einkommenssteuer von 25 Prozent.

Weltpostvertrag

In einem kleinen Packerl vom chinesischen Versandhaus steckt mehr drin, als die Empfänger glauben – zumindest wenn es um die Versandkosten geht. Denn der Weltpostvertrag teilt die Länder je nach Entwicklungsstand in vier Gruppen. In diesem wird China bisher als Entwicklungsland geführt. Dadurch bekommen Onlinehändler aus China besonders gute Konditionen, wenn sie in westliche Industrieländer liefern. Zumindest dann, wenn das Packerl weniger als 300 Gramm wiegt. Die Post im jeweiligen Land übernimmt für China Zustellkosten. „Man kann auch sagen, der österreichische Staat subventioniert chinesischen eCommerce“, sagt Peter Koller, Leiter der Abteilung International Mail & Affair in der Österreichischen Post, an der der österreichische Staat noch 52,8 Prozent hält. Bei betroffenen Sendungen handelt es sich etwa um Handyhüllen, die Konsumenten zu Billigstpreisen in China ordern.
2018 weht neuer WindViele Nationen – darunter die USA, Japan und EU-Länder – wollten nicht länger akzeptieren, dass sie die Kosten für Sendungen aus China tragen müssen, und protestierten beim Kongress des Weltpostvereins im Oktober 2016 in Istanbul. Mit Erfolg. Chinas Onlinehändler werden ab 2018 stärker zur Kassa gebeten. Auch an anderer Stelle.
Bisher sind Bestellungen aus dem außereuropäischen Raum – also von Webshops aus den USA oder China – bis zu einem Betrag von 22 Euro von der Mehrwertsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen soll 2021 fallen. Laut Finanzminister Hans Jörg Schelling liegt ein Vorschlag der EU-Kommission vor.

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