Chicago will mehr wie Wien werden

Chicago will mehr wie Wien werden
US-Metropolen müssen ihre Uralt-Infrastruktur modernisieren und holen sich dafür Know-how aus Österreich.

Parkgebühren in privater Hand? In Wien undenkbar, in Chicago ein Ärgernis. Seit die US-Metropole die gesamte Parkraumbewirtschaftung an eine private Firma auslagerte, schossen die Tarife in lichte Höhen. Auf Druck der Bevölkerung vergab die Stadt die Konzession neu, machte Auflagen und schneidet ab sofort an den Einnahmen mit. Diese werden zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet. "Wir haben unsere Lektionen aus der Finanz- und Immobilienkrise gelernt", sagt Andrew J. Mooney, zuständig für Stadtentwicklung in Chicago, zum KURIER.

Mooney weilt derzeit mit einem Dutzend weiterer Vertreter aus US-Großstädten in Österreich, um sich Know-how für einen ganz und gar unamerikanischen Weg zu holen: Bus und Bahn statt Highway-Wahn, Niedrigenergiehäuser statt Wolkenkratzer und Biomassekraftwerke statt Mülldeponien. So salbungsvoll klingt zumindest der Plan der Regierung Obama zur Sanierung der überalterten, ineffizienten Infrastruktur vieler Großstädte. Ein Vorbild dafür ist Wien, wie sich die US-Delegation dieser Tage überzeugten konnte.

Parkzonen

Vor allem das dichte und moderne U- und S-Bahn-Netz, die Parkzonen-Regelung und Energiegewinnung finden Anklang: "Wir interessieren uns sehr für alternative Energiegewinnung und energieeffizienten Gebäudebau, ihr in Österreich habt die Experten dafür", sagt Mooney. Die älter werdende Bevölkerung und der steigende Benzinpreis würden auch in Chicago die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmittel enorm beschleunigen. Immerhin fast die Hälfte aller US-Haushalte ist nicht an ein Öffi-Netz angeschlossen. Kein Wunder, dass der Staat statt Highways nun Bahn und Bus fördert. Einen Schritt weiter ist man in Los Angeles. Planungsstadtrat Michael Logrande erzählt stolz von großzügigen Fahrrad-Highways und wachsender Begeisterung für E-Mobilität. Die rund 1000 E-Autos seien zwar noch nicht viel, aber sie würden das Bewusstsein der Städter für Nachhaltigkeit stärken. "Wir haben eine Autohistorie zu überwinden, aber es findet langsam ein Umdenken statt", erzählt Logrande. Motto: Städte müssten für Menschen, nicht für Autos gebaut werden. Auch City-Maut ist in L.A. kein Tabuthema mehr.

Marktchancen

"Im technologischen Rückstand städtischer Infrastruktur in den USA liegt großes Marktpotenzial für österreichische Firmen", weiß Franz Rössler, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Chicago. Viele Trends am US-Markt seien hier längst umgesetzt. Gefragt sei Know-how im Bereich nachhaltiges Bauen, Verkehrsleitsysteme, alternative Antriebstechnologie oder Umweltverträglichkeit. Die besten Chancen sieht Rössler durch Partnerschaften mit lokalen US-Firmen oder als Zulieferer von Infrastruktur-Konzernen wie Siemens oder Bombardier.

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