Chalet-Wildwuchs: Das Geschäft mit der Lust am Landleben
Sie schauen heimelig und gemütlich aus und wirken oft so, als würden sie schon seit Generationen auf der Alm stehen: Chalet-Dörfer (das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie Sennhütte). Es geht also um jene Ansammlungen von Holzhäusern, welche gestresste Städter buchen, die Erholung in der Natur suchen. Allerdings mit dem Service eines Luxushotels und mit größtmöglicher Privatsphäre.
Die Almhütten sind entsprechend ausgestattet: mit WLAN und kleinem Heimkino nebst Zirbenzimmer und offenem Kamin. Tagesraten von 400 bis 700 Euro pro Nacht sind keine Seltenheit, schließlich geht der Trend hin zu immer größeren und immer luxuriöseren „Hütten“. Der Koch kommt mitunter auf Zuruf ins Chalet, ein Mitarbeiter füllt den Kühlschrank auf und sorgt abends für knisterndes Feuer im Kamin. Das kommt bei den Gästen offenbar an.
Vier Dutzend Dörfer
„Wir sehen bei den Chalets Nächtigungssteigerungen von bis zu 20 Prozent im Jahr“, sagt Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung. In Österreich kam der Chalet-Trend vor gut zwanzig Jahren mit dem „Almdorf Seinerzeit“ an. „Was als Übertragung des Malediven-Bungalowresort-Konzepts in die Alpen gedacht war, ist zum flächendeckenden Trend geworden“, erläutert Reisenzahn. Mittlerweile existieren allein in Österreich rund vier Dutzend solcher Almhüttendörfer. Und geht es nach den Vorstellungen diverser Investoren, könnten noch ein paar Dutzend dazukommen.
„Die Tourismusentwicklung ist stark von den Chalets geprägt, es wird um viele Widmungen angesucht“, bestätigt auch Alexander Erhard vom Regierungsbüro des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter. Allerdings macht sich in der Bevölkerung auch Widerstand gegen solche Projekte breit.
Tirol hat gerade eine Tourismusförderungsrichtlinie beschlossen, bei der es keine Förderungen mehr für „neue Betten“ geben soll. Schließlich sind Grund und Boden in Tirol so rar wie teuer.
Vorhaben, die über Investorenmodelle mit dem Verkauf von Chalets finanziert werden, sowie der Bau „neuer Betten“ sind künftig von der Tourismusförderung ausgenommen. Die Tiroler Politik will so der Verbauung von Grünflächen und dem Wildwuchs von Zweitwohnsitzen einen Riegel vorschieben. Entschieden wird aber immer im Einzelfall, heißt es aus der Landesregierung. Schließlich werde die Erweiterung eines Hotelkomplexes um ein, zwei Chalets vielleicht anders bewertet als ein neues Projekt, das auf die grüne Wiese gebaut wird. „Zudem wird ein und dasselbe Projekt vielleicht in einer Region sinnvoll sein und in einer anderen überhaupt nicht“, erläutert Alexander Erhard von der Tiroler Landesregierung.
Almdorf Seinerzeit: „Letztlich geht es doch immer um eine Illusion“
Prinz Alfred von Liechtenstein hat sich 2014 ein ganzes Dorf in Österreich gekauft: Das Almdorf Seinerzeit bei Bad Kleinkirchheim (Kärnten), zu dem damals 24 Häuser gehörten. Schon unter dem alten Eigentümer habe es Überlegungen zum Bau eines zweiten Dorfes samt Zentralgebäude, Gastronomie und Tiefgarage gegeben. Vorhaben, die der Prinz umgesetzt hat – mit einer Investitionssumme von rund 26 Millionen Euro, wie er sagt. Heute gehören etwas mehr als 50 Chalets unterschiedlicher Größe zu seinem Refugium.
Der Prinz moniert, dass es in der Branche „viele Trittbrettfahrer ohne echten Service“ gäbe. Allein im süddeutschen Raum gibt es laut seiner Schätzung „um die 50 sogenannte Almdörfer“, davon würden sich einige bei einem genaueren Blick „als Betonbunker mit Holzverkleidung“ entpuppen. Seine Anlage sei dagegen echt, aus Massivholz, mit einer Dämmung aus Schafwolle und mit Schindeln aus Lärchenholz am Dach. „Das schaffte eine eigene Atmosphäre.“
Dem Argument, dass auch solche Almdörfer kitschig seien und eine heile Welt vorgaukelten, könne er zwar etwas abgewinnen, „aber dann muss man den Tourismus insgesamt infrage stellen. Letztlich geht es immer um Entertainment, Unterhaltung und eine Illusion.“ Er versuche zumindest, mit seinem Almdorf authentisch zu sein, von der Bauweise bis zur regionalen Küche.
Gebucht werden die Chalets nicht nur von Privaten, sondern auch von Firmen, die gleich das ganze Dorf für Strategie-Meetings buchen. Firmenkunden und Gesellschaften, die in Bausch und Bogen alle Häuser für Feiern mieten, würden rund 35 Prozent zum Umsatz beitragen. Kostenpunkt: Bis zu 20.000 Euro am Tag.
Wer sich eines der Chalets kaufen will, muss noch tiefer in die Tasche greifen. Bis zu 1,65 Millionen Euro kostet die 185-Quadratmeter-Variante. „Das sind Liebhaberpreise“, sagt selbst der Prinz. Gekauft haben bisher vor allem Unternehmer, die ein paar Wochen im Jahr selbst im Chalet leben und es den Rest des Jahres vermieten lassen. Dieses Modell sei von Anfang an so mit der Gemeinde besprochen gewesen, Proteste hätte es keine gegeben.
Eigene Preisklasse
Probleme wie etwa in Kitzbühel, wo die Bevölkerung unter den explodierenden Immobilienpreisen leidet, habe es keine gegeben. „Unsere Chalets haben keinen Einfluss auf die Immobilienpreise vor Ort“, beteuert der Prinz. Schließlich spielen sie in einer eigenen Liga – räumlich und was den Fünf-Stern-Service-Charakter ausmacht, den man mit dem Chalet-Resort mitkauft.
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