Der geschickte Poker des Finanzministers

Finanzminister Hans Jörg Schelling: "Unterschied, ob man zwischen "0,9 und 1 Prozent schwankt" oder ein strukturelles Defizit von über vier Prozent habe.
Novomatic-Einstieg: Schelling lässt sich noch nicht in die Karten schauen. Kommt Automatenspiel in Wien doch wieder?

Im Nachhinein betrachtet hat Finanzminister Hans Jörg Schelling eigentlich gerissen gezockt. Mit seiner Ankündigung, die teilstaatliche Casinos-Austria-Gruppe (Casag) voll zu verstaatlichen und anschließend mit Gewinn zu privatisieren. Ausgerechnet der ehemalige Spitzenmanager und Unternehmer Schelling will plötzlich verstaatlichen, fragte man sich in Wirtschaftskreisen verwundert.

Schelling hat es geschafft, den Wert des Drittel-Anteils der Staatsholding ÖBIB an den Casinos innerhalb von drei Monaten um gute 30 Prozent zu steigern. Indem er mit seiner Ankündigung ein Bieter-Rennen auslöste.

Die ÖBIB übernahm den Casag-Anteil von der Nationalbank-Tochter Münze auf Basis einer Unternehmensbewertung von 400 Millionen Euro. Die Staatsholding zahlte der Münze um die 130 Millionen Euro.

Das Angebot der Novomatic an die privaten Casag-Aktionäre, über das der KURIER als erstes Medium berichtete, ist mit mehr als 470 Millionen Euro kalkuliert. Der Investor Peter Goldscheider (Epic) bot mit tschechischen Partnern um die 500 Millionen Euro.

Mit dem Einstieg des Gumpoldskirchner Gaming-Konzerns, der mit etwas Glück demnächst die Mehrheit übernehmen könnte, ist auch der Staatsanteil mehr wert. Anzunehmen, dass die gewinnstarke Novomatic die Casinos samt Lotterien wesentlich effizienter führt als es mit der bisherigen, zersplitterten Eigentümerstruktur der Fall war.

"Ich freue mich über die Wertsteigerung und die Angebote", erklärt Schelling dazu. Jetzt werde man "die Angebote genau prüfen und in Ruhe die weiteren Entscheidungen überlegen".

Aufgrund gegenseitiger Vorkaufsrechte aller Casinos-Aktionäre hat die Staatsholding nun zwei Monate Zeit. Legt sie ein genauso hohes Angebot, müssten die anderen Gesellschafter an den Staat verkaufen.

Novomatic habe kolportiert in der Nähe von 500 Millionen geboten, "das ist ein Preis, der uns zu hoch erscheint", sagt ÖBIB-Chefin Martha Oberndorfer. Schelling bzw. die Staatsholding waren mit einem Offert von 350 Millionen Euro bei den Aktionären abgeblitzt. Die ÖBIB habe bereits beleuchtet, ob man mehr zahlen könne, aber die Basis "ist relativ dünn" (Oberndorfer).

Reduziert der Staat seinen Anteil?

Andererseits meint Oberndorfer, die Republik könne ihren Anteil theoretisch auch auf die Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) reduzieren, das müsse Schelling entscheiden. Der aber lässt sich (noch) nicht in die Karten schauen.

Die Glücksspielbehörde im Finanzministerium muss dem Deal auch zustimmen. Die Aufsicht screent jeden neuen Eigentümer. Nicht anzunehmen, dass Novomatic durchfällt. Trotzdem gilt es, sich mit dem Finanzminister gutzustellen. Er kann den Markt über die Vergabe von Konzessionen beeinflussen.

Kommt Automatenspiel in Wien wieder?

Der Glücksspielexperte Andreas Kreutzer (Kreutzer, Fischer und Partner) meint, für Novomatic seien an der Casag vor allem deren Online-Geschäft ("win2day") sowie die sogenannten VLTs (Video Lottery Terminals, "winwin") interessant. Das sind spezielle Automaten, für die ebenso wie für Online-Gaming eine Lotto-Konzession erforderlich ist. "winwin" betreibt 14 Automatensalons, nicht aber in Wien.

Obwohl man dürfte. Die Stadtregierung verbot zwar das Automatenspiel, die VLTs unterliegen aber der Kompetenz des Bundes. Gut möglich, spekuliert Kreutzer, dass die Casag mit dem neuen Großaktionär Novomatic VLT-Standorte in Wien startet. Die Automatenhallen sind mit 1,33 Milliarden der mit Abstand größte Umsatzbringer des Casino-Konzerns und spielten 2014 ein Plus von 15 Prozent ein.

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