Casinos-Chefin: „Die analoge Welt wird bleiben“

Lange im Unternehmen, seit 1. Mai an der Spitze - Bettina Glatz-Kremsner
Bettina Glatz-Kremsner im KURIER-Interview über Frauenquoten, Digitalisierung, Automaten und Kosten.

KURIER: Sie sind seit 1. Mai die erste Chefin der Casinos Austria AG. Was ist mit Ihrer Funktion als ÖVP-Vize und Ihren Aufsichtsratsmandaten?

Bettina Glatz-Kremsner: Ich habe mit 30. April meine politische Funktion zurückgelegt. Beim Flughafen werde ich mein Mandat nach der Hauptversammlung 2020 abgeben. Bei der Telekom Austria gehe ich mit der Hauptversammlung 2019. Mein EVN-Mandat und den Generalratssitz bei der Nationalbank behalte ich.

Als Chefin eines Großunternehmens haben Sie in Österreich noch immer Seltenheitswert.

Ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben, dass man gar nicht darüber spricht, wenn eine Frau an die Spitze kommt. Der Wandel vollzieht sich sehr langsam. 2006 hatte ich bei den Lotterien mit dem Quoten-Frau-Image zu kämpfen, stand besonders unter Beobachtung. Ich hatte das Gefühl, ich muss nicht 100, sondern 120 Prozent leisten.

Halten Sie eine Frauenquote für vernünftig?

Auf jeden Fall in Staatsunternehmen und staatsnahen Betrieben. Nicht aber bei kleinen Unternehmen. Als ich aus Ungarn nach Österreich gekommen bin, war ich anfangs ganz weg, warum Frauen in Top-Positionen überhaupt ein Thema sind. Ich hatte ein ganz anderes Selbstverständnis, das mir unbewusst sehr geholfen hat.

Stichwort Ungarn, sorgen Sie sich über die politische Lage?

Als Honorarkonsulin beobachte ich die Situation natürlich genau. Es gibt auf allen Seiten verantwortungsvolle Entscheidungsträger, daher wird es gute europäische Lösungen für anstehende Fragen geben.

Zum Unternehmen – ist die Gruppe ein Sanierungsfall?

Nein, davon kann gar keine Rede sein. Die Gruppe hat sich unglaublich gut entwickelt, 2018 war eines der besten Jahre mit einem Rekordumsatz. Bei den Casinos alleine hatten wir den dritthöchsten Umsatz aller Zeiten. Es gibt natürlich Themen, um die wir uns kümmern müssen, wie etwa die Servicequalität und die Kundenzufriedenheit in den Casino-Betrieben. Wir führen konstruktive Gespräche mit dem Betriebsrat.

Sie haben bei den Casinos ein Kostenproblem. Ist mit Mitarbeiter-Abbau und Standort-Schließungen zu rechnen?

Wir müssen beim Bruttospielertrag (Spieleinnahmen minus Auszahlungen, Anm.) und den Kosten etwas tun. Standortschließungen sind für uns kein Thema, im übrigen können wir Standorte gar nicht zusperren, denn wir haben bis 2027 bzw. 2030 auf Grund der Konzessionen eine Betriebspflicht. Wir haben ein sozial verträgliches Personalpaket geschnürt, um flexibler zu werden und mittels Teilzeitmodellen die Besucher-Spitzen abzudecken. Am Montag ist weniger los als am Freitag oder Samstag. Job-Abbau wird es nicht geben.

Was bedeutet die Digitalisierung für Ihr Geschäft?

Weltweit waren wir 1998 eines der ersten Glücksspielunternehmen, das ins Internet ging. Damals dachten wir, ein Geschäft wird’s zwar nicht, aber wir besetzen halt den Markt. Wichtig ist, die digitale und die analoge Welt zusammen zu führen und die Wünsche unserer Kunden stärker zu berücksichtigen. Wir müssen besonders gute Gastgeber sein. Wir sind weltweit eines der wenigen Unternehmen, die alles anbieten: traditionelle Casinos, Lotto, Sportwetten und Online-Gaming. Wer in unser Haus kommt, egal durch welche Türe, muss bestmöglich betreut werden.

Casinos-Chefin: „Die analoge Welt wird bleiben“

Glücksspiel hat nach wie vor ein Imageproblem.

Verantwortungsvolles Spielen ist in unserer DNA stark verankert. Es liegt mir besonders am Herzen, Werte wie Seriosität, Wertschätzung und Vertrauen vorzuleben.

Wie erklären Sie einem Laien „Responsible Gaming“?

Spielen muss ein Freizeitvergnügen sein. Responsible Gaming heißt, dass jemand nur solange spielt, wie es Freude bereitet. Aber nie über die Grenzen hinaus, dass es ihm leid tut oder ihn sogar ruiniert. Ein Prozent der Bevölkerung gilt laut Experten als spielsüchtig, das sind rund 70.000 Menschen in Österreich. Hier setzen wir aktiv Maßnahmen, um gegenzusteuern.

Sie gelten als sozial sehr engagiert, macht sich das im Unternehmen bemerkbar?

Corporate Social Responsibility ist mir sehr, sehr wichtig, vor allem humanitäres und soziales Engagement. Unsere Mitarbeiter bekommen fünf freie Tage im Jahr, um sich sozial zu engagieren. Das Feedback ist extrem positiv.

Zurück zum Spielen. Wer sind Ihre typischen Gäste?

Bei den Casinos rund 53 Prozent Männer und je zur Hälfte In- und Ausländer. Bei Lotto ausgeglichen zwischen Männern und Frauen und Sportwetten sind männlich.

Die Gruppe betreibt über sogenannte VLTs, miteinander vernetzte Slotmaschinen, auch das viel kritisierte, aber lukrative Automatengeschäft. Wollen Sie expandieren?

Ja, wir wollen wachsen. Derzeit haben wir 19 Standorte, in ein bis zwei Jahren sollen es rund 25 sein. In Wien beschränken wir uns auf drei Standorte. Das Automatengeschäft läuft gut, aber das sogenannte Lebendspiel – mit Croupiers – ist nicht zu unterschätzen, es macht immerhin rund 44 Prozent des Casinos-Nettospielertrages aus.

Casinos-Chefin: „Die analoge Welt wird bleiben“

Zum Lieblingssport der Österreicher, dem Lotto. Ihr tschechischer Großaktionär Sazka will das Lotto-Geschäft noch weiter forcieren.

Wir sind unter den Top 5 in Europa, aber es ist immer noch Luft nach oben. 2018 war ein Rekordjahr, weil wir Lotto-Plus gestartet haben und einen Siebenfach-Jackpot hatten. Im Herbst werden wir ein neues Produkt anbieten.

Ist der Streit mit den Trafikanten um Provisionen vorbei?

Es gab das eine oder andere Missverständnis. Die Trafikanten sind seit 1986 unsere Partner der ersten Stunde, wir wissen, wie wichtig sie für uns sind. Wir haben über 5.000 Annahmestellen und müssen dort sein, wo die Kunden sind. Deswegen sind wir schon jetzt an Tankstellen, in Postämtern und im Lebensmittelhandel.

Spielen die Österreicher bei schlechter Konjunktur mehr?

Das glauben alle, aber das stimmt nicht. Wenn es den Menschen schlechter geht, sparen sie auch beim Glücksspiel. Geht es besser, werden mehr Zusatzprodukte gekauft. Die Rubbellose sind ein Konjunkturbarometer.

Wird Online das klassische Glücksspiel bald ersetzen?

Ich glaube, die analoge Welt wird weiter bleiben. Das Haptische wird immer gefragt sein, wie bei einem Buch. Bei Lotto machen wir nur acht Prozent des Umsatzes online, der Anteil steigt nur langsam. Damit sind wir im europäischen Mittelfeld.

Die Regierung will das Online-Spiel gesetzlich neu regeln. Was erwarten Sie sich von der längst überfälligen Novelle?

Wir sind die Einzigen mit einer Online-Lizenz, haben aber weniger als 50 Prozent Marktanteil. Im Kampf gegen illegales Online-Spiel funktioniert in 13 EU-Ländern das Blockieren von IP-Adressen von Anbietern gut. Bei uns gibt es diese Möglichkeit nicht.

Was haben Sie mit der Auslandstochter vor – wäre der von Ihrem Vorgänger geplante Verkauf ein Fehler gewesen?

Zu einem niedrigen Preis zu verkaufen, wäre sicher ein Fehler gewesen. Wir rechnen 2019 mit Wachstum und werden vorsichtig und in kleinerem Ausmaß investieren.

 

Karriere

Kurz nach  dem Studium der Handelswissenschaften Start bei  den Lotterien, Chefin der Ungarn-Tochter. 1996 Vorstandsassistentin der Holding Casinos Austria AG (Casag), von 200 bis 2003 Koordinatorin für Synergien zuwischen Casinos Austria und den Lotterien, 2006 Vorstand der Tochter Österreichische Lotterien, 2010 Finanzvorstand in der Casag.

Unternehmen

Der teilstaatliche Konzern spielte 2018 4,5 Mrd. Euro Umsatz ein, das sind plus 11,7 Prozent. Der Betriebserfolg stieg vonb 139 auf knapp 144 Millionen Euro, der Konzerngewinn fiel aber um acht Prozent auf 92,7 Millionen Euro. Die Hauptgründe dafür sind die Schließungskosten für Casinos in Georgien und Tschechien (5,9 Millionen Euro), sowie der rückgängige Betriebserfolg der 12 Inlands-Casinos um zwei Drittel (von 18,7 auf 6,1Millionen Euro).

Die Lotterien machten mit 3,94 Milliarden Euro den größten Umsatz seit ihrem Bestehen, das Betriebsergebnis stieg auf 75,7 Millionen Euro. Ausschlaggebend dafür war das neue LottoPlus sowie der erste Siebenfach-Jackpot.

Die Onlineplattform win2day profitierte von der Aufnahme von Produkten des Großaktionärs Novomatic und steigert den Umsatz um rund 12 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro.

Die Spielaumaten-Tochter winwin (Video Lotterie Terminals, VLT) steigerte den Umsatz um fast 40 Prozent auf 731,6 Millionen Euro und wies einen Gewinn aus.

Die nach Verlusten sanierte Auslandstochter Casinos Austria International legte beim Umsatz von 132 auf 150 Millionen zu und wies einen Gewinn aus, dessen Höhe nicht bekannt gegeben wurde.

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