Bürokratie-Groteske: Zwei Arbeitsinspektorate, gleiche Aufgabe

Auf größeren Bahnhöfen prüfen der Verkehrs-Arbeitsinspektor und der Inspektor der Zentralen Arbeitsinspektion
Obwohl gesetzlich längst abgeschafft, gibt es immer noch ein eigenes Verkehrs-Arbeitsinspektorat in Österreich.

Eine Situation, die auf größeren Bahnhöfen immer wieder passiert. Der allgemeine Arbeitsinspektor kontrolliert den Arbeitsplatz des Kassiers in einem der Bahnhofs-Shops. Zur selben Zeit ist auch der Kollege vom Verkehrsarbeitsinspektorat im Einsatz, er wiederum überprüft die Bahnschalter.

Oder: Ein und dieselbe Fluchttüre wird von beiden Inspektoren untersucht. Es geht darum, ob die Vorgaben des Arbeitnehmerschutzes eingehalten werden. Der allgemeine Arbeitsinspektor, kurz AI, checkt für den Fall, dass die Mitarbeiter des eingemieteten Gastronomie-Betriebes den Fluchtweg benutzen. Der Verkehrsarbeitsinspektor, der VAI, prüft die Türe ebenfalls. Durch diese müssen im Notfall auch die ÖBB-Bediensteten am Informationsschalter flüchten.

In Wirtschaftskreisen ist man sehr verärgert über diese Blüte der rotweißroten Bürokratie, entstanden in den frühen 1950er-Jahren. Zwei verschiedene Aufsichtsbehörden, für die dieselben Vorschriften gelten. Zitieren will sich freilich kein Unternehmen lassen, wer möchte sich schon mit dem gefürchteten Arbeitsinspektorat anlegen.

Zuständigkeiten

Das VAI ist zuständig für Eisenbahn-, Seilbahn-, Schifffahrts- und Luftverkehrsunternehmen. Alle anderen Betriebe sowie Baustellen fallen in die Kompetenz der Zentralen Arbeitsinspektion ZAI. Dabei seien die Jobs beispielsweise in Chemiebetrieben, in der Metallverarbeitung oder in Raffinerien wesentlich gefährlicher als auf Bahnhöfen oder Airports, unterliegen aber auch keinem eigenen Inspektorat, lautet die Kritik.

2012 hatte die rot-schwarze Regierung die löbliche Idee, unter dem Titel „Verwaltungsvereinfachungen“ die beiden Inspektorate zusammen zu legen. Verkehrsministerin war Doris Bures (SPÖ), ihr unterstand das VAI. Die ZAI mit rund 400 Mitarbeitern ressortierte zum Parteikollegen im Sozialministerium, Rudolf Hundstorfer.

Alle waren guten Willens. Das Arbeitsinspektionsgesetz wurde im Rahmen des 2. Stabilitätspaktes novelliert, die Inspektorate im Sozialministerium zusammengeführt.

Nur auf dem Papier

Allerdings nur auf dem Papier. Das 26 Mitarbeiter große VAI wird nach wie vor als eigene, gleichwertige Einheit und mit der alten Struktur weiter geführt.

Das war ganz sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers. In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurfstand wurde argumentiert, dass „der kritisierte Zustand der Behördenvielfalt und Kompetenzzersplitterung in der Kompetenz des Bundes für die Arbeitsaufsicht beseitigt werden soll“. Von der „Vermeidung von Doppelgleisigkeiten“, „entbehrlichem Verwaltungsaufwand“, „Nutzung von Synergieeffekten“, „Kostenreduktion“ war zu lesen. Ein österreichweites „Kompetenzzentrum für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz“ war geplant.

Zwei mal kontrolliert

Nichts davon wurde umgesetzt. Möglich gemacht durch eine Übergangsbestimmung, die kurzfristig gelten sollte, aber bis heute gelebt wird. Es soll sogar immer wieder vorkommen, dass eine Bestimmung von beiden Arbeitsinspektoren unterschiedlich ausgelegt wird. Was die Unternehmen dann verständlicherweise ganz besonders ärgert.

Auch in Genehmigungsverfahren um ein und dasselbe Projekt sind beide Inspektoren involviert. Obwohl sich die Arbeitnehmer-Schutzbestimmungen nicht unterscheiden. Wodurch Verfahren zusätzlich verzögert werden.

Reaktion Sozialministerium

Im Sozialministerium dementiert man allerdings Doppelgleisigkeiten. „Pauschale Anwürfe“ seien nicht zielführend, weist man die Kritik aus der Wirtschaft zurück. Für ein und dieselbe Arbeitsstätte sei klar entweder das VAI oder ein Arbeitsinspektorat zuständig.

Bei „größeren Konglomeraten von Arbeitsstätten“, etwa Bahnhöfen mit Shops, könnten diese Zuständigkeiten aufeinander treffen. Arbeitsinspektorate und das VAI „bemühen sich hier um die notwendige Abstimmung und eine koordinierte Vorgangsweise“. Man habe die Schnittstellen bearbeitet und Lösungen entwickelt, die die Zuständigkeiten klären und eine gute Zusammenarbeit ermöglichen.

Sollten in einem konkreten Fall Schwierigkeiten auftreten, so sei das Ministerium „um eine rasche und gedeihliche Lösung bemüht“.

Klingt ganz danach, dass Noch-Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) keinen Handlungsbedarf sieht und alles bleibt wie gehabt.

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