Buchhändlern wird das Heft aus der Hand genommen
Es rauscht im Blätterwald. Im Vorjahr haben österreichweit wieder mehr als 20 Buchhändler für immer ihre Pforten geschlossen. Eine Entwicklung, die sich nicht aufhalten lässt. Wie der KURIER erfahren hat, schließt Ende des Jahres in der Wiener City auch die Buchhandlung am Schottentor. Dem Vernehmen nach will dort Nordsee eine Filiale eröffnen. Auch Frick hat heuer schon zwei Standorte in Wien geschlossen, kommende Woche folgt die dritte in der Wollzeile. "Urbane Räume veröden, die Bevölkerung kommt nicht mehr zum Einkaufen", argumentiert Martin Abel von der Buchhandlung Frick die Schließungen. Viele Läden in der Kärntnerstraße und am Graben seien nur noch "Abschreibposten für große Ketten", meint er.
Jeder zweite Euro weg
Buchhandlungen bekommen von mehreren Seiten neue Konkurrenz. Amazon holt sich ein immer größeres Stück vom Umsatzkuchen, Branchenfremde mischen mit: Möbelhäuser verkaufen Architektur- und Kochbücher, im Supermarkt gibt es Taschenbücher, Gärtnereien versuchen ihr Glück mit Dekobüchern. In Deutschland machen klassische Buchhändler nur noch 48 Prozent des Branchenumsatzes. In Österreich werden entsprechende Zahlen nicht erhoben. Experten gehen davon aus, dass die Situation identisch ist.
"Der Buchhandel ist ein knallhartes Geschäft mit eigenen Regeln", analysiert Andreas Kreutzer von Kreutzer Fischer&Partner. Das beginnt mit der Buchpreisbindung, die einen Mindestverkaufspreis für Bücher festlegt. Zu welchen Preisen die Händler von Verlagen einkaufen, ist dagegen nicht geregelt. "Große stationäre Buchhändler und Onlinehändler kaufen deutlich günstiger ein als kleine, unabhängige Buchhändler", weiß Kreutzer. Bei Bestsellern, die 57 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen, bekommen sie Rabatte von bis zu 50 Prozent. Damit haben kleine Händler weniger Marge und auch weniger Geld für Investitionen in Läden und Onlineshops – sie fallen im Konkurrenzkampf weiter zurück.
Rabatte für Riesen
Dass sich die Einzelkämpfer zu Einkaufsverbänden zusammenschließen – so wie es etwa im Schuhgeschäft der Fall ist – ist dennoch kein Thema. "Viel zu kompliziert. Wir bestellen von manchen Titeln ja nur ein, zwei Stück. Der administrative Aufwand wäre höher als die Ersparnis durch die Rabatte", winkt Erwin Riedesser, Chef der Wiener Leporello-Buchhandlungen und Präsidiumsmitglied im Hauptverband des Buchhandels, ab. Das große Problem liegt aus seiner Sicht überhaupt ganz woanders. "Die Buchpreise steigen nicht, die Kosten schon." Laut einer Studie der Kepler Universität Linz, die der Hauptverband in Auftrag gegeben hat, sind die Mieten und Betriebskosten zwischen 2005 und 2015 um 40, die Personalkosten um 44 Prozent gestiegen. Die Buchpreise haben im gleichen Zeitraum nur um 7,2 Prozent zugelegt.
Aufrundungstendenz
Für Josef Pretzl, Österreich-Chef der Buchhandelskette Thalia, sind Bücher schlicht zu billig – im Durchschnitt kosten sie 13,60 Euro. Ein Preis, den es bei Thalia bald nicht mehr geben wird. Die Kette rundet künftig auf den nächsten 90-Cent-Betrag auf. Ein Schritt, den Mitbewerber bereits kopieren, heißt es. Von Rechts wegen dürfen sie das. Die Preisbindung schreibt nur einen Mindestverkaufspreis vor – nach oben hin dürfen Händler die Preisschraube aber seit dem Jahr 2000 drehen.
Dass es zu wenig Nachschub an Büchern gibt, ist jedenfalls nicht zu befürchten. Zu Spitzenzeiten kamen allein im deutschsprachigen Raum jährlich mehr als 100.000 neue Titel auf den Markt – zuletzt waren es zumindest noch knapp 90.000.
Größere deutsche Verlage erhalten um die hundert Manuskript-Einsendungen in der Woche – die wenigsten werden tatsächlich zwischen zwei Buchdeckel gepresst. Österreichs Verlage haben 2015 übrigens 8804 Neuerscheinungen auf den Markt gebracht. Schaut man sich die europäischen Bestsellerlisten an, kommen die meisten Erfolgsautoren aus englischsprachigen Ländern (36 Prozent der Titel), dicht gefolgt von den nordischen Sprachen, die auf 24 Prozent kommen. Zum Vergleich: Bestseller in Originalsprache "Deutsch" machen gerade einmal vier Prozent aus – und damit gleich viel wie Titel aus dem Spanischen oder Holländischen.
Wie also kann man sich als kleiner Buchhändler gegen die Konkurrenz behaupten? Nathalie Pernstich gründete 2002 die Buchhandlung Babette’s in der Schleifmühlgasse in Wien, in der sie nicht nur Kochbücher, sondern auch Gewürze verkauft. "Diese Kombination funktioniert gut", erzählt sie. Und zwar so gut, dass sie 2008 eine zweite Filiale Am Hof in der Innenstadt eröffnen konnte. Pernstich möchte ihren Kunden ein "sinnliches Gesamterlebnis" bieten: Wichtig seien "das Ambiente, die Gerüche und das Angreifen der Bücher", betont sie.
In der Filiale von Babette’s Am Hof duftet es nach Kaffee, Kuchen und allerlei Gewürzen. In den Regalen finden sich rund 2000 Kochbücher und mehr als 100 verschiedene Gewürze sowie Gewürzmischungen. Ob exotische Eintöpfe, vegane Spezialitäten oder die Geschichte des Vanillerostbratens: Es gibt wohl kaum ein Küchen-Thema, über das sich hier kein Buch findet. "Und wenn wir etwas nicht haben, dann bestellen wir es. Wir treiben für unsere Kunden auch immer wieder Raritäten auf", erklärt Filialleitern Maria Valencia. Wer hier aller einkaufe? "Zu uns kommen alle gerne: Anfänger, Hobby-Köche oder erfahrene Gastronomen", erwidert sie.
Viele der Kunden schätzen die Gewürzmischungen im Babette’s. 50 verschiedene stehen zur Auswahl – vom Wiener Gulaschgewürz bis zum Red Hot Masala. Besonders stolz sei man auf die Mischung Ras el Hanout – zu Deutsch "Kopf des Ladens": "Das ist ein Gewürz aus dem maghrebinischen Raum, das mehr als 50 Zutaten beinhaltet", erklärt Valenica.
Philosophie: Genuss
Neben den Mischungen gibt es rund 50 verschiedene Gewürze auch einzeln, lose und in jeder beliebigen Menge zu kaufen. Freilich sei alles Fair Trade und Bio, betont Valencia, "mit Null Chemie und ohne Geschmacksverstärker". Entscheidend sei jedoch, dass es gut schmecke: "Unsere Philosophie ist der Genuss".
Seit März gehört zum Babette’s auch eine eigene Gewürzmanufaktur im 15. Bezirk. Daher biete man nun einen neuen Service, beschreibt Valencia: "Kunden können auf unserer Website eine Gewürzmischung kreieren. Diese wird in der Manufaktur zubereitet. Bei uns im Laden können die Kunden sie dann abholen."
Doch damit nicht genug: "Mittlerweile betreiben wir auch ein kleines Café", sagt Valencia, und deutet auf ein kleines Zimmer hinter dem Verkaufsraum. Unter der Woche gibt es hier täglich frische Mittagsmenüs. Um einen freien Tisch zu bekommen, sollte man reservieren.
All diese Extra-Angebote seien entscheidend, ist sich Geschäftsgründerin Pernstich sicher. "Wir müssen unseren Kunden ein besonderes Einkaufserlebnis bieten."
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