Camerons Appell gegen die Steuerflucht
Im Kampf gegen Steuerparadiese nimmt Großbritannien die Zügel weiter fester in die Hand. Premierminister David Cameron wandte sich in einem Brief an zehn Überseegebiete und Kronbesitzungen mit der Aufforderung, beim Kampf gegen Steuerhinterziehung noch stärker mitzuwirken.
Er habe den Kampf gegen Steuerhinterziehung zu einem zentralen Thema des G-8-Gipfels Mitte Juni in Nordirland gemacht, schrieb Cameron. Nun sei es an der Zeit, „in unserem eigenen Haus Ordnung zu schaffen“. Der Premier wandte sich insbesondere gegen gängige Modelle, mit denen die wahren Besitzverhältnisse von Firmen verschleiert werden (Trusts). Die Regierung müsse wissen, „wer wirklich welches Unternehmen besitzt und kontrolliert“.
Zudem soll es künftig einen automatischen Austausch von Bank- und Steuerdaten geben. Schon Anfang Mai vereinbarte Großbritannien mit fünf EU-Staaten den Austausch von Kontodaten aus Bermuda, den Cayman Islands, British Virgin Islands, Anguilla, Montserrat, Turks und Caicos sowie der Isle of Man. Aufrecht bleibt das Bankgeheimnis jedoch auf die Kanalinseln Jersey und Guernsey. Fraglich ist auch jetzt, ob diese beiden Kronbesitzungen bezüglich der Trusts mitmachen werden. Denn es handelt sich um eigenständige Hoheitsgebiete.
Weltweite Standards
Cameron will den Ländern nicht das Recht nehmen, niedrige Steuersätze festzulegen. Die Regeln müssten jedoch fair festgelegt und durchgesetzt werden. Der Premier forderte weiters die Schaffung und Einhaltung weltweiter Standards. „Es macht keinen Sinn, Steuerflucht in einem Land anzugehen, wenn das Problem einfach in ein anderes verlegt wird.“
Camerons Brief ist nicht nur auf Druck der EU zurückzuführen. Auch im eigenen Land steht der Premierminister unter Zugzwang. Denn viele in Großbritannien tätige Unternehmen zahlen in dem Land kaum Steuern, da sie über Töchter in den Überseegebieten abrechnen. So setzte Google in Großbritannien von 2006 bis 2011 etwa 14 Mrd. Euro um, zahlte aber nur 12,4 Mio. Euro Steuern. Amazon zahlte im selben Zeitraum trotz eines Umsatzes im Königreich von rund 18 Mrd. Euro nur 7 Mio. Euro Steuern. Und Apple-Chef Tim Cook muss wegen der Steuerpraxis seines Konzerns heute, Dienstag, sogar vor dem US-Kongress Rede und Antwort stehen.
EU-Agenda
Auch die EU hatte in den vergangenen Wochen ihren Kampf gegen Steueroasen und Steuerbetrug massiv verschärft. Mandat an die EU-Kommission zu Verhandlungen mit Drittstaaten über die Ausweitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie. Österreich gab am Dienstag nach wochenlangen Diskussionen grünes Licht für ein Mandat an die EU-Kommission zu Verhandlungen mit Drittstaaten über die Ausweitung der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie.
Vorstandschefs und Mitglieder mehrerer großer britischer Unternehmen haben sich für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union ausgesprochen. "Die ökonomischen Argumente dafür, in der EU zu bleiben, sind überwältigend", hieß es in einem am Montag in der linksliberalen Zeitung The Independent veröffentlichten Brief.
Unterzeichnet war der Brief unter anderem von den Aufsichtsratschefs des britischen Telekommunikationsunternehmens BT und der Lloyds Banking Group, Virgin-Group-Chef Richard Branson sowie hohen Vertretern von Shell und des britischen Industrieverbandes.
Die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens bringe jährlich schätzungsweise zwischen 31 und 92 Milliarden Pfund (zwischen 36,7 und 108,9 Milliarden Euro) an Einkommensplus ins Land, pro Haushalt seien das 1.200 bis 3,500 Pfund. Politische Interessen dürften nicht über wirtschaftliche gestellt werden, hieß es. Allerdings müsse es durchaus Reformen geben. So fordern die Wirtschaftsbosse, den Londoner Bankendistrikt zu schützen und den EU-Binnenmarkt etwa in den Bereichen Transport und Energie zu stärken.
Hintergrund: Nicht wenige Parteifreunde des konservativen britischen Premierministers David Cameron drängen auf einen EU-Austritt. Lieber heute als morgen würden sie ihr Land lösen aus dem Staatenverbund, der ständig zerstritten ist und wegen der hohen Schulden mitten in der Krise steckt. Cameron hat signalisiert, dass er sich ein Referendum darüber bis 2017 vorstellen kann, sollte er 2015 wiedergewählt werden. Umfragen zeigen, dass die Briten durchaus für eine solch radikale Kehrtwende stimmen könnten.
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