Deutschland rechnet mit Zuzug britischer Firmen

Skyline von Frankfurt: Die hessische Finanzmetropole könnte vom Brexit profitieren
Nach dem Brexit wollen offenbar immer mehr Firmen ihren Sitz nach Kontinentaleuropa verlegen. Bankenaufsicht muss in jedem Fall übersiedeln.

Britische Banken und Unternehmen werden wegen des Brexit-Votums nach Einschätzung des deutschen Finanzministeriums bald mit einer Verlagerung von Geschäften nach Deutschland beginnen. Im Finanzministerium gebe es vermehrt Anfragen von Firmen, die ihren Sitz oder Geschäfte nach Kontinentaleuropa verlegen wollten, sagte Finanzstaatssekretär Thomas Steffen bei einer Bankenkonferenz in Frankfurt.

"Wir sind sehr, sehr offen für solche Gespräche." Bei vielen würden solche Überlegungen nun konkreter. "Wir gehen alle davon aus, dass wir im Frühjahr 2017 vermehrt konkrete Entscheidungen sehen werden."

Für Banken ist Frankfurt aus Sicht von Steffen ein attraktiver Ausweichstandort, unter anderem, weil dort die EZB-Bankenaufsicht beheimatet ist. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin arbeite ebenfalls intensiv daran, "englischsprachige Kunden noch besser bedienen zu können", sagte Steffen. "In diesem Umfeld wäre auch die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA gut aufgehoben." Die aktuell in London angesiedelte EBA muss nach der Brexit-Entscheidung in ein EU-Land umziehen.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier ist diese Woche in New York, um bei US-Großbanken für den Finanzplatz Frankfurt zu werben. Einige Banken und Finanzdienstleister müssten London verlassen, wenn Großbritannien nach dem Brexit keinen uneingeschränkten Zugang mehr zum EU- Binnenmarkt habe, hatte Bouffier vor dem Beginn seiner Reise erklärt. "Zahlreiche Unternehmen beschäftigen sich schon sehr konkret damit." Finanzkreisen zufolge erwägt unter anderem die Investmentbank Goldman Sachs, Geschäfte nach Frankfurt zu verlegen und sich von der EZB beaufsichtigen zu lassen.

Britische Firmen bremsen bei Investitionen

Wegen Sorgen im Zusammenhang mit dem Brexit hat jedes dritte britische Unternehmen einer Umfrage zufolge Investitionen verschoben oder gestrichen. Das ergab eine am Montag veröffentlichte Erhebung des Meinungsforschungsunternehmens YouGov in Zusammenarbeit mit der Beratungsgesellschaft CEBR und der Finanzgesellschaft Hitachi Capital.

Bei der Befragung von 1015 Managern Ende Oktober und Anfang November zeigte sich demnach, dass 33 Prozent der Firmen bei den Investitionen auf die Bremse treten.

CEBR und Hitachi Capital bezifferten das Gesamtvolumen der verschobenen Ausgaben und abgesagten Projekte auf 65,5 Mrd. Pfund (76,1 Mrd. Euro). Dabei stützten sie sich neben der Umfrage auf öffentlich verfügbare Daten zu Unternehmen in Großbritannien.

Als konkrete Gründe für die Verschiebung und Absage von Investitionen nannten die befragten Manager den Angaben zufolge an erster Stelle den Absturz der britischen Währung sowie die Erwartung einer steigenden Inflationsrate. Häufig angeführt wurden auch die Unsicherheit in Bezug auf den künftigen Zugang des Landes zum europäischen Binnenmarkt und das Risiko einer Konjunktureintrübung in Großbritannien.

je größer die Firma desto zurückhaltender ist man bei Investitionen ergab die Umfrage. Nach Branchen unterteilt waren den Angaben zufolge Technologie-und Telekommunikationsunternehmen besonders zurückhaltend, gefolgt von Immobilien- und Baufirmen. Es folgten Werbe- und Kommunikationsunternehmen sowie die Finanzwirtschaft.

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