Börsengang von Ottobock wird mit Skepsis betrachtet

Ottobock versorgt Menschen mit amputierten Gliedmaßen in aller Welt, egal ob Paralympics-Athleten oder Kriegsversehrte.
Zusammenfassung
- Ottobock geht mit 20 Prozent Streubesitz an die Börse, bleibt aber unter Kontrolle der Familie Näder, sodass Aktionäre kein Mitspracherecht haben.
- Experten sehen den Ausgabepreis der Aktie als hoch und das Kurspotenzial als begrenzt, dennoch ist die Nachfrage groß und die Aktie bereits überzeichnet.
- Ein Teil des Börsenerlöses dient der Schuldentilgung von Eigentümer Näder, während Ottobock weiterhin auch in Russland und der Ukraine Prothesen liefert.
Viele Menschen, die einen Arm oder ein Bein verloren haben, sind froh darüber, dass es Ottobock gibt. Das deutsche Unternehmen ist der führende Hersteller von Hightech-Prothesen, Rollstühlen und Orthesen zur Korrektur von Fehlstellungen. Am Dienstag erfolgte der mit Spannung erwartete Auftakt zum Börsengang in Frankfurt am 9. Oktober. Ob sich ein Investment lohnt, wird aber von manchen Experten bezweifelt.
Künstliche Finger besitzen Tastsinn
Wien ist mit mehr als 500 Mitarbeitern einer der wichtigsten Standorte für Forschung und Entwicklung. Unter anderem mit der MedUni Wien wurden Prothesen entwickelt, die sich mittels Muskelsignalen oder mit direkter Nervenverbindung steuern lassen. Anwender sollen eine relativ kurze Eingewöhnungszeit dafür benötigen. Die Oberflächen der Prothesen sollen außerdem Rückmeldungen liefern, die einem natürlichen Tastsinn nahekommen. Die Kosten für derartig fortschrittliche Prothesen betragen teilweise Zehntausende Euro.
20 Prozent der Firma werden abgetreten
Der Jahresumsatz von Ottobock im Jahr 2024 betrug 1,6 Milliarden Euro. Weltweit hat das Unternehmen 9.300 Mitarbeiter. Bewertet wird es mit 4,2 Milliarden Euro. Die Aktien werden für 62 bis 66 Euro angeboten – der endgültige Preis steht erst am Ende der Angebotsfrist am 7. Oktober fest.
Experten halten den Preis für relativ hoch und befürchten ein geringes Kurssteigerungspotenzial. Die Nachfrage ist dennoch enorm. Eine Stunde nach Angebotsbeginn am Dienstag war die Aktie bereits überzeichnet.
Mehrheitseigentümer trifft die Entscheidungen
Beim Börsengang gehen 20 Prozent des Unternehmens in Streubesitz über. 80 Prozent behält sich die Familienholding von Eigentümer Hans Georg Näder. Der 64-Jährige bleibt durch die Rechtsform (Kommanditgesellschaft auf Aktien) bei Ottobock alleiniger Entscheidungsträger. Aktionäre haben kein Mitspracherecht bei zentralen Beschlüssen.

Bei den Paralympischen Spielen 2024 richtete Ottobock ein eigenes Reparaturzentrum für Athleten ein.
Der Börsengang soll rund 800 Millionen Euro einbringen. Durch eine Kapitalerhöhung fließen davon 100 Mio. Euro in das Unternehmen zurück. Den großen Rest benötigt Eigentümer Näder, um Schulden zurückzuzahlen. Er hat 2017 20 Prozent des Unternehmens an den schwedischen Finanzinvestor EQT verkauft, diese Anteile 2024 aber wieder zurückgekauft. Dafür hat er Kredite über 1,1 Milliarden Euro aufgenommen, die nun wieder abbezahlt werden müssen.
Näders Führungsstil ist umstritten. Entscheidungen soll der Manager oft impulsiv und ohne Rücksprache mit der restlichen Geschäftsführung treffen, berichten Weggefährten. Dazu soll ein ausschweifender Lebensstil kommen. Das Unternehmen beteuert, „solide durchfinanziert“ zu sein. Aktionärsschützer befürchten laut Handelsblatt, dass Näder mit dem Börsengang lediglich Geschäftsrisiken auf neue Investoren abwälzt.
Russland und Ukraine werden beliefert
Ein weiterer wissenswerter Punkt für Investoren sind die Geschäfte mit Russland. Seit dem Angriff auf die Ukraine gibt es viele Kriegsversehrte, die Prothesen benötigen. Ottobock hat trotz Sanktionen die Erlaubnis, seine Produkte zu exportieren. Dort erwirtschaftet das Unternehmen 9 Prozent des Umsatzes. Seine Prothesen liefert Ottobock aber auch in die Ukraine.
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