Digital Health: „KI ist das Stethoskop von morgen“

46-218692684
Die Radiologie-Professorin Ulrike Attenberger forscht an der Medizinischen Universität Wien zu Zukunftstechnologien in der Medizin.

Unser Gesundheitssystem ist unter Druck: Es fehlen Fachkräfte und gleichzeitig soll an vielen Stellen gespart werden. Durch „Digital Health“ könnte man diesen Herausforderungen begegnen, sagt Ulrike Attenberger. Sie ist seit Juli 2024 Professorin für Radiologie an der Medizinischen Universität (MedUni) und seit Jänner 2025 Leiterin der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin am AKH Wien. „Zu Digital Health gehören z.B. elektronische Patientenakten, Telemedizin, Gesundheits-Apps, Wearables und Künstliche Intelligenz in der Bildgebungs- oder Datenanalyse“, sagt Attenberger.

Fachkräftemangel

Es sei eine der Hauptmotivationen ihrer Arbeit, Lösungen für den Mangel an medizinischen Fachkräften, der durch den demografischen Wandel entsteht, zu finden. Sie beschäftigt sich daher mit der Frage, wie die sogenannte „Patient Journey“ – also wie Patient*innen sich durch das Gesundheitswesen bewegen – ressourcenschonend optimiert werden kann.

Digitale Technologien und KI können die Patient*innen-Versorgung effizienter und individueller machen, erläutert Attenberger: Durch genauere Diagnostik könnten Mehrfachuntersuchungen vermieden und die Terminvergabe verbessert werden. Auch Therapieentscheidungen könnten dadurch schneller fallen.

Fehlende Daten

„Es gibt zwei Hauptfehlerquellen für medizinische Fehlentscheidungen: fehlende Daten und Datenfehlinterpretation“, meint die Professorin. „Ärzt*innen und Pflegende kämpfen immer mehr mit einer Flut an teilweise unstrukturierten Informationen, sei es in der Administration oder der Diagnostik.“ Erkrankungen könnten viel besser erkannt werden, wenn alle nötigen Daten strukturiert und digital zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stünden. Die Voraussetzungen dafür seien heute noch nicht flächendeckend gegeben – vor allem, was die Infrastruktur betrifft. Attenberger zählt dazu technische Schnittstellen, Plattformen oder Speicher.

Natürlich brauche es dann auch noch entsprechend spezialisiertes Personal in Ordinationen und Krankenhäusern und eine engere Verzahnung dieser beiden Versorgungsbereiche. Auch bei der Entwicklung und Zulassung neuer Technologien sieht sie noch Verbesserungsbedarf: Alle Disziplinen müssten hier zusammenarbeiten, um Patient*innen neue Anwendungen zur Verfügung zu stellen.

KI im Arbeitsalltag

Ist die Infrastruktur einmal geschaffen, und sind Gesundheitsdaten in großem Maßstab vorhanden, sei „Dr. KI“ der logische nächste Schritt in der medizinisch-technischen Entwicklung, meint Attenberger: „KI ist meiner Einschätzung nach das Stethoskop von morgen, das heißt, es wird in den Arbeitsalltag integriert werden.“ In der Radiologie werden heute schon KI-Systeme genutzt, die Ärzt*innen etwa dabei helfen, Frakturen aller Art oder Tumore zu erkennen. Doch die meisten davon seien noch in einer Entwicklungs- oder Pilotphase, betont die Professorin. „Die Transferierbarkeit und Generalisierbarkeit fehlt oftmals“, so Attenberger. Sobald diese Herausforderungen bewältigt sind, könnten KI-Systeme auch zur Vorhersage von Krankheiten genutzt werden.

Auch als administrativer Helfer stünde „Dr. KI“ zur Verfügung – etwa für die Dokumentation, zur Planung von Untersuchungen oder zum Schreiben von Arztbriefen.

Prävention

Die Wissenschafterin erwartet, dass es noch Jahre dauern wird, bis es im Gesundheitsbereich eine vollständige Integration von KI gibt. Das hängt auch von der digitalen Infrastruktur ab.

Für Patient*innen wiederum könnte es dann dank Wearables völlig normal sein, alltägliche Einblicke zum eigenen Gesundheitszustand zu bekommen. Chatbots und Telesprechstunden erleichtern in dieser Zukunftsvorstellung den Zugang zu medizinischen Leistungen.

Attenberger hofft darauf, dass es in Zukunft wegen optimaler Prävention weniger Bedarf an Krankenversorgung gibt: „Meine Vision wäre die von einem digitalen Avatar, der mich rechtzeitig warnt, wenn eine Erkrankung im Anmarsch ist, und der mir hilft, meine Lebensgewohnheiten so zu gestalten, dass ich meine Vitalität und Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten kann.“

Wichtig sei nur, dass dabei ihre Entscheidungsfreiheiten respektiert blieben. „Das hört sich wie Science Fiction an – aber wer weiß, was die Zukunft bringt“, meint Attenberger.

Eine Frau mit Brille arbeitet an einem Computer mit Diagrammen.

Kommentare