Bittere Pille Arzneimittel-Versand

Bittere Pille Arzneimittel-Versand
Trotz Bedenken startet der Verband ab April ein eigenes Online-Portal. Das sorgt für Kritik.

Eigentlich hätte das Versandhandels-Verbot schon heuer fallen müssen. Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011 schreibt vor, dass Apotheken die "Fernabgabe" von in Österreich zugelassenen, rezeptfreien Medikamenten erlaubt werden muss. Bisher musste der Umweg über eine in einem EU-Land, z. B. Tschechien , zugelassene Apotheke gewählt werden. Versandapotheken wie "Zur Rose" in Kooperation mit dm, "mycare" (Bipa) oder apotheke-österreich.at (Universal, Quelle) haben sich sehr zum Ärger vieler Apotheker im Markt längst breitgemacht.

Weil die Mühlen der Bürokratie langsam mahlen und sich jede heimische Online-Apotheke erst EU-zertifizieren lassen muss, verzögert sich der Arzneimittel-Versandhandel jetzt bis 2015. Der Apothekerverband, Interessensvertretung der selbstständigen Apotheker, lehnt den Versandhandel generell ab, weil dieser nicht zur Nahversorger-Philosophie der Apotheker passe und man Wettbewerb nicht haben möchte: "Ein Preiswettbewerb hat im Gesundheitssektor nichts verloren", sagt Apothekerverbands-Präsident Christian Müller-Uri. Auch die bei Arzneien heiklen Liefer- und Lagerbedingungen könnten im Versandhandel nicht immer gewährleistet werden.

Trotz dieser Bedenken prescht der Verband nun vor und startet mit apodirekt.at schon im April ein eigenes Online-Portal, das das gesamte Apotheken-Sortiment abbildet. Konsumenten können die Arzneimittel aber nur bestellen und an die nächstgelegene Apotheke liefern lassen ("Click & Collect"). Damit soll die Beratungsleistung nicht verloren gehen. Viele Apotheker sind von dem System nicht überzeugt, erst die Hälfte konnte für apodirekt gewonnen werden.

Keine Preisangabe

Bittere Pille Arzneimittel-Versand
"Wenn online keine Preise angeführt sind, macht das Ganze keinen Sinn", kritisiert eine Apothekerin, die nicht mitmacht und daher lieber anonym bleiben möchte. Ein ähnliches Portal in Deutschland sei ein Flop. Vom Verband wünscht sie sich "vernünftige Gegenstrategien" gegen ausländische Versandhandelsriesen, die den Apotheken zunehmend das Wasser abgraben. Besonders bitter: Manche Apotheken am Land sind auch Post-Partner und müssen ihren eigenen Kunden oft Medikamenten-Pakete von "Zur Rose" oder mycare übergeben.

Krisenstimmung

Internet-Konkurrenz, billigere Generika und damit sinkende Handelsspannen zehren an der wirtschaftlichen Substanz vieler Apotheken. Im Vorjahr war der Kassenumsatz, der rund 70 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht, real rückläufig. Nominell gab es ein Plus von 1,1 Prozent auf 2,334 Mrd. Euro. Fast jede dritte Apotheke schreibt Verluste. "Wir sind in die Krise geschlittert", klagt Müller-Uri. Dies mache sich bereits am Arbeitsmarkt bemerkbar. Die Zahl der offenen Stellen sei eingebrochen. Die 1340 Apotheken in Österreich beschäftigen 16.000 Mitarbeiter und bilden 1270 Lehrlinge aus.

Apothekerpreise

Wenn es um die Preise geht, verstehen die Apotheker keinen Spaß. Als die Drogeriemarktkette dm für ihren Versandhandelspartner "Zur Rose" mit dem Slogan "Apotheken-Preise, nein danke! Bis zu 40 Prozent sparen" warb, brachte ihr das beinahe eine Rufschädigungsklage ein. Der Beruf des Apothekers werde damit herabgewürdigt, richtete der Apothekerverband aus.

Dessen Präsident Christian Müller-Uri fühlt sich nun berufen, mit einem jahrelangen Missverständnis bei der Interpretation des Begriffes Apothekerpreis aufzuräumen. "Der Apothekerpreis hat überhaupt nichts mit der Höhe des Preises zu tun, sondern stand ursprünglich für eine exakte Preisermittlung und Preisgarantie", erläuterte er auf einer Pressekonferenz. Diese Bedeutung des Begriffs sei aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Über das Warum darf gerätselt werden.

Kommentare