"Big Brother" auf Ungarns Straßen

Spediteure fühlen sich ausgebremst. Das ungarische Straßenfracht-Kontrollsystem sei nicht umsetzbar.
Elektronische Nachverfolgung sämtlicher Ein- und Ausfuhren lässt die Wogen hochgehen. Es drohen hohe Strafen.

Ab 1. Jänner 2015 darf keine Ware mehr per Lkw von, nach und innerhalb Ungarns transportiert werden, ohne dass dies vorher den Steuerbehörden gemeldet wird. Unternehmen sind verpflichtet, vor dem Versand sämtliche Artikel akribisch genau beim Finanzamt elektronisch anzumelden. Das neue elektronische Straßenfracht-Kontrollsystem (EKAER) soll der ungarischen Finanz helfen, jede auf ungarischem Staatsgebiet beförderte Ware nachverfolgen zu können. Mit der Neuregelung soll der Mehrwertsteuerbetrug eingeschränkt sowie Korruption unterbunden werden.

Bürokratie-Hürde

Bei österreichischen Spediteuren, aber auch Händlern, gehen die Wogen hoch. Zum einen wegen des massiven bürokratischen Mehraufwandes und zum anderen wegen der drakonischen Strafen, die bei Nichteinhaltung drohen: Wird der Meldepflicht nicht oder nur unvollständig nachgekommen, kann die Steuerbehörde ein Bußgeld von 40 Prozent (!) des Warenwertes verhängen oder Waren im entsprechenden Gegenwert beschlagnahmen. "Wir haben derzeit viele Anfragen österreichischer Firmen, die wissen wollen, wie was geht und was sie tun sollen", erzählt Waltraud Körbler, Managing Partner bei der Steuerberatungskanzlei IB Grant Thornton in Budapest. Noch wisse aber niemand so genau, wie das System funktioniert. Infos gebe es nur sehr spärlich.

Spediteure fürchten, dass sie auf der Melde-Verpflichtung sitzen bleiben, sehen sich aber außerstande, diese korrekt umzusetzen. So müssen etwa bei Sammelgut-Transporten die Daten Hunderter unterschiedlicher Artikel für unterschiedliche Empfänger vorab erhoben werden. Das Kennzeichen der Lkw will die Finanz ebenso wissen wie die exakte Ankunftszeit der Ware – unabhängig von Wetter und Verkehr. "Wir haben 1500 Ladungen pro Tag, wenn wir uns beim Kennzeichen verschreiben, zahlen wir hohe Strafen", schäumt der Chef von DB Schenker Ungarn, Árpád Vásárhelyi. In der jetzigen Form sei das EKAER nicht umsetzbar.

EU-rechtswidrig?

Juristen halten die Regelung für EU-rechtswidrig, weil sie durch unnötige bürokratische Hürden den freien Warenverkehr innerhalb der EU behindert. Deutschland wurde diesbezüglich bereits in Brüssel vorstellig. Wegen der vielen offenen Fragen lässt die nötige Durchführungsverordnung noch immer auf sich warten. Die Regelung tritt trotzdem zum Jahreswechsel in Kraft, gestraft wird aber erst ab 15. Jänner.

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