Beschäftigung 60plus: Bonus-Malus-System für Betriebe gefordert

Die Regierung will das faktische Pensionsalter nach oben bringen und hat dafür bereits die Möglichkeit der Teilpension angekündigt. Abgesehen davon, dass dieser komplizierte Ersatz für die Altersteilzeit für die meisten Betroffenen wenig attraktiv scheint, ist die Einzelmaßnahme nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sozialministerin Korinna Schumann rechnet mit lediglich 10.000 Teilpensionist/innen im Jahr.
Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) sehen vor allem die Betriebe in der Pflicht, ältere Mitarbeiter einzustellen oder länger im Job zu halten und haben dafür neue Daten zusammengetragen. Laut ihrer Erhebung ist Österreich von einer Beschäftigungsquote von rund 50 Prozent bis 2030 wie im Regierungsprogramms vorsieht, meilenweit entfernt. Im Jahr 2024 waren in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen 22,8 Prozent der Frauen (rund 76.000 von 340.000) und 45,6 Prozent der Männer (rund 150.000 von 330.000) beschäftigt.
Aufgrund der Anhebung des Frauenpensionsalters soll die Beschäftigtenzahl der Frauen laut einer WIFO-Studie bis 2030 auf 138.000 ansteigen (+61.000). Einführung der Teilpension und Änderung bei der Korridorpension sollen weitere 33.000 Frauen in Beschäftigung halten (insgesamt 94.000 Frauen). Bei den Männern soll die Beschäftigtenzahl auf 186.000 (um 36.000) anwachsen. Dann läge die Beschäftigungsquote der Frauen bei 49,4 Prozent und die der Männer bei 55,5 Prozent.
Die Betriebe seien jedoch auf die Herausforderung, bis 2030 mehr als 100.000 60- bis 64-jährige Frauen und Männer zusätzlich zu beschäftigen, "nicht annähernd vorbereitet", meint Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung, AK Wien. Für eine Quote von 70 Prozent müssten sogar rund 480.000 Personen in dieser Altersgruppe erwerbstätig sein.
Älterenquote bei nur 5 Prozent
Derzeit liegt die Älterenquote in den heimischen Betrieben bei nur 5 Prozent. Um die 50-Prozent-Quote zu erreichen, müsste diese auf rund 10 Prozent ansteigen, errechneten AK und ÖGB. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede je nach Branche und sogar je nach Betrieb innerhalb einer Branche.
Rund 30 Prozent der heimischen mittleren und größeren Betriebe (ab 20 Arbeitnehmer/innen) beschäftigen keinen einzigen Menschen über 60, mehr als die Hälfte der Betriebe keine Frau, die älter als 60 Jahre ist. "Vor allem die öffentliche Verwaltung, das Gesundheits- und Sozialwesen, der Handel und die Herstellung von Waren sind besonders gefordert", so Panhölzl. Hier würden viele Betriebe das Potenzial bei weitem nicht ausschöpfen.
Bonus-Malus-System als Anreiz
Um Anreize für die Betriebe und eine faire Lastenverteilung zwischen den Betrieben zu schaffen, schlagen die Arbeitnehmervertreter ein "Bonus-Malus-System" vor. So sollte jeder Betrieb ab 20 Arbeitnehmern einmal jährlich über seine Älterenquote und die Zielquote der jeweiligen Branche informiert werden. Jene Betriebe, die die branchenbezogene Zielquote erreichen, sollen einen Bonus erhalten, jene, die die Zielquote nicht erreichen, einen Malus zahlen müssen.
Ein Betrieb mit 20 Mitarbeitern sollte zwei, ein Betrieb mit 100 Mitarbeitern zehn 60+-Jährige beschäftigen.
Der Bonus könnte kostenneutral aus den Mitteln des FLAF finanziert werden. Derzeit zahlen Betriebe für Arbeitnehmer über 60 keinen FLAF-Beitrag, keinen ALV-Beitrag, keinen UV-Beitrag und keinen IESG-Beitrag. "Diese Befreiungen verpuffen ohne erkennbaren Beschäftigungseffekt und sollten daher aufgehoben werden. Die freiwerdenden finanziellen Mittel (derzeit rund 1 Mrd €) sollten dann gezielt für die Förderung der Älterenbeschäftigung zum Einsatz kommen und als Bonus für jene Betriebe verwendet werden, die die branchenbezogenen Zielquoten erreichen", so Panhölzl. Auch alternsgerechte Arbeitsplätze könnten damit gefördert werden.
Regelung gab es schon einmal - kurz
Schon vor zehn Jahren führte die Regierung unter dem damaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer ein "Bonus-Malus-System" zur Ankurbelung der Beschäftigung Älterer ein. Betriebe, die bei der Beschäftigung über ihrem Branchenvergleich lagen, sollten einen Bonus in Form einer Senkung des Beitrages zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) von 0,1 Prozentpunkten erhalten. Betriebe, die unter ihrem Branchenschnitt liegen, hätten bei einer Kündigung eine doppelte Auflösungsabgabe in Höhe von 236 Euro zahlen müssen.
Die für die Neuregelung definierten Zielwerte wurden jedoch vorzeitig erreicht, sodass aus einer recht komplizierten Regelung nur die Auflösungsabgabe übrig blieb. Auch diese wurde nach ein paar Jahren wieder abgeschafft.
Ältere teurer?
Der von Betrieben häufig genannte Grund der höheren Lohnkosten aufgrund des Senioritätsprinzips lässt ÖGB-Bundesgeschäftsführererin Helene Schuberth nicht gelten. "Die Senioritätskurve ist nicht der Hauptgrund, warum Ältere nicht eingestellt werden". Diese habe sich durch Reformen bei den Kollektivverträgen schon abgeflacht. Ältere Beschäftigte seien auch produktiver als jüngere, sofern es gelinge, "die Menschen gesund am Arbeitsplatz zu halten".
Auch Arbeitnehmer/innen müssen mitspielen
Um die Quoten zu erreichen, müssen freilich auch die Arbeitnehmer/innen mitspielen und bereit sein, länger in Beschäftigung zu bleiben. Doch dies sei für viele über 60-Jährige gar nicht möglich, verweist Schuberth etwa auf Pflegebedarf der Eltern oder Schwiegereltern. Laut Arbeitsklimaindex der AK Oberösterreich (AK OÖ) hält es mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer/Innen es für unwahrscheinlich, bis 65 in ihrem Beruf durchzuhalten.
Zusätzlich setzt die derzeit steigende Arbeitslosigkeit vor allem älteren Beschäftigten zu. AK und ÖGB fordern daher eine Qualifizierungsoffensive speziell für diese Zielgruppe.
Industrieellenvereinigung: "Bürokratische Zusatzbelastung"
Die Industriellenvereinigung (IV) kann den Vorschlägen von AK und ÖGB wenig abgewinnen. "Wiederholten Rufe nach Bonus-Malus Quotenmodellen für Ältere gehen am eigentlichen Problem vorbei und zielen nur auf eine bürokratische Zusatzbelastung sowie die Pönalisierung der ohnedies unter hohem Druck stehenden Betriebe, was ideologiegetrieben und verfehlt ist“, sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Die geplante Teilpension begrüßt die IV zwar, zeigt sich aber skeptisch bezüglich der Wirksamkeit. Die Teilpension sei auch nicht geeignet, dringend gebotene strukturelle Reformschritte im Pensionssystem zu ersetzen und dürfe auch nicht durch die generelle Zählung von Teilpensionisten als Erwerbstätige zu einer „Statistikverzerrung“ führen.
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