"Schluss mit Kammer-Zwang"

Sepp Schellhorn, Neos: "Kammern sind die Radklammer am Auto Österreich"
Neos-Wirtschaftssprecher Schellhorn kritisiert "skandalöse Doppelfinanzierung".

Nach der kritischen Studie des internationalen Steuerexperten Gottfried Schellmann schießen sich jetzt auch die Neos auf die Kammern ein und fordern die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft. Sepp Schellhorn, Wirtschaftssprecher der liberalen Partei mit dem pinkfarbenen Logo spricht lieber von "Zwangsmitgliedschaft".

Der erfolgreiche Tourismus-Unternehmer urgiert den freien Wettbewerb, auch für die gesetzlichen Interessenvertretungen. Dafür müsste die verfassungsrechtliche Verankerung der Kammern, "die Radklammer am Auto Österreich", fallen. SPÖ und ÖVP hievten 2008 alle 14 Kammern in den Verfassungsrang.

Die Neos empören sich auch über die Zuschüsse der Wirtschafts- und der Arbeiterkammer aus den Umlagen (Beiträge der Mitglieder) an die wahlwerbenden politischen Gruppen für die Kammer-Mandate. "Österreich hat ohnehin schon die höchste Parteiförderung. Und dann subventionieren die Kammern auch noch die Vorfeldorganisationen der Parteien. Diese Doppelfinanzierung ist ein Skandal."

Wie der KURIER in seiner Sonntag-Ausgabe berichtete, zahlte die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im Vorjahr insgesamt 6,4 Millionen Euro an alle Fraktionen. Die Landeskammern löhnen zusätzlich. Allein Wien, Nieder- und Oberösterreich kommen auf 5,25 Millionen Euro. Den Großteil davon kassiert der Wirtschaftsbund, der die meisten Kammer-Funktionäre stellt. Die Arbeiterkammer (AK) unterstützt ihre wahlwerbenden Gruppen in Summe mit rund 7,8 Millionen Euro.

Schellmann kommt zum Schluss, dass Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer kein Recht auf die Einhebung von Pflichtbeiträgen hätten, weil sie de facto wie politische Parteien bzw. deren Vorfeldorganisationen agieren würden. Er hat bei seiner Argumentation juristisch tief gegraben, bis zu einem Bundesgesetz aus 1930 zum Schutz der Arbeits- und Versammlungsfreiheit, und strapaziert auch die Europäische Menschenrechtskonvention.

AK-Direktor Werner Muhm hält entgegen, dass die Arbeitnehmer-Vertretung unter allen Sozialpartnern die höchste Zustimmung in der Bevölkerung genieße. Er beruft sich auf das vierteljährlich von der Nationalbank erhobene Vertrauensbarometer. Zuletzt erklärten 71 Prozent der Befragten ihr "großes Vertrauen" in die AK.

Außerdem würden 750.000 von insgesamt rund drei Millionen AK-Mitgliedern keine Beiträge zahlen – Lehrlinge, Arbeitslose, Karenzierte, geringfügig Beschäftigte –, aber genauso serviciert werden wie die Beitragszahler.

Herwig Höllinger, Vize-Generalsekretär der WKÖ, will die Studie nicht kommentieren. Er verwehrt sich aber dagegen, die WKÖ würde die Parteien subventionieren. Die Mittel würden den werbenden Gruppen für die demokratisch legitimierten Kammerwahlen zur Verfügung gestellt und deren Verwendung vom (kammereigenen) Kontrollamt geprüft. Mit den "Parteien als solche" habe das nichts zu tun. So kann man das auch sehen.

Neos-Abgeordneter Schellhorn plädiert für mehr Transparenz. So sollten die Arbeiterkammer-Beiträge (werden von Arbeitnehmern bezahlt und von den Arbeitgebern abgeführt) ebenso wie die Wohnbauförderung und der Beitrag zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds auf den Lohnzetteln gesondert ausgewiesen werden. Außerdem kritisiert er massiv die Bindung der Kammerumlage II an die Lohn-und Gehaltssumme der Unternehmen: "Bei jeder Lohnrunde kassiert die Wirtschaftskammer mit."

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