Beipackzettel für Zertifikate: "Ist das wirklich sinnvoll?"

Heike Arbter: Präsidentin von Europas Zertifikateverband
Heike Arbter befürchtet, dass die neuen Verbraucherschutz-Vorschriften den Markt für Zertifikate schrumpfen lassen.

Zertifikate – eine Art Anleihe, deren Rückzahlung an die Entwicklung von Börsenindices, Einzelaktien, Rohstoffe oder ähnlichem gebunden ist – bestimmten seit Jahren das Arbeitsleben von Heike Arbter. Die Finanzexpertin ist nicht nur bei der Raiffeisen Centrobank für Zertifikate zuständig, sondern auch Chefin des Zertifikate Forums Austria und seit Mai auch Präsidentin der europäischen Zertifikate-Vereinigung Eusipa.

"Immer mehr Vorschriften und Regulierungen für den Finanzmarkt kommen aus Brüssel. Wir müssen da nahe dran sein und mitreden können", beschreibt Arbter eines ihrer wichtigsten Motive für die Annahme der Eusipa-Präsidentschaft. Sie will bei den Brüsseler Beamten Verständnis für den Zertifikate-Markt schaffen.

Atemnot

"Wir laufen Gefahr, dass zu viel Regulierung den Markt erstickt", befürchtet Arbter. Doch die Produkte schafften auch Wert für die Investoren, gerade in Zeiten extrem tiefer Zinsen. Dies werde von der EU gerne übersehen. Aber wenn die Regulierung so weitergehe, könnten einige Zertifikat-Produkte nicht mehr angeboten werden. Arbter verweist etwa auf die ab Jänner 2017 von der EU vorgeschriebenen "Basisinformationsblätter für Anlageprodukte für Kleinanleger", bei Experten unter PRIIPS bekannt, in der Öffentlichkeit unter "Beipackzettel". In Österreich sind derzeit etwa 6000 Zertifikate am Markt, bis zu 2000 legt allein die RCB jährlich neu auf. "Für jedes einzelne dieser Produkte muss nun ein Beipackzettel geschrieben werden."

Natürlich soll der Anleger verständliche Informationen über das Produkt bekommen, bevor er es kaufe. Doch bei dem, was jetzt vorgeschrieben sei, müsse man sich fragen, ob das wirklich sinnvoll sei. Arbter glaubt, dass diese Regulierung nicht zum Vorteil der Kunden sei. Denn im Endeffekt würden die Banken die derzeit sehr breit gefächerte Palette an Zertifikatsprodukten reduzieren und möglicherweise auch verteuern.Die neu gekürte Eusipa-Präsidentin will sich aber nicht nur auf die Regulierung konzentrieren. Auch die Schaffung von mehr Transparenz und Durchblick im europäischen Zertifikatemarkt ist ihr ein Anliegen.Wenn es um Geldanlage geht, sind die Österreicher nicht gerade risikofreudig. Aktien haben nur etwa vier Prozent der Anleger in ihrem Portefeuille. Zertifikate aber sind höchst beliebt. 10,4 Milliarden Euro davon waren Ende April dieses Jahres in Händen von Privatinvestoren. "Das liegt vor allem daran, dass viele Zertifikate mit einer Kapitalgarantie ausgestattet sind", sagt Arbter. Das komme den konservativen heimischen Anlegern zugute. Fast zwei Drittel des gesamten Zertifikatemarktes sind Garantieprodukte.

Arbters Favoriten aber sind die Bonus-Zertifikate. Sie machen mit 685 Millionen Euro nur einen kleinen Teil des Marktes aus. Doch in Börsenzeiten wie diesen, wo die Kurse seitwärts ziehen und auch mit Zinsen nichts zu verdienen sei, hätten Bonus-Zertifikate einen Vorteil: Man könne mit drei bis fünf Prozent Jahresrendite rechnen, wenn der Kurs des Basiswerts (Aktie, Index) nicht unterschritten werde. Der Kurs liege bei den meisten Produkten 50 bis 55 Prozent tiefer als zum Start des Zertifikats. "Die Gefahr eines so deutlichen Absturzes ist klein", glaubt Arbter.

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