"Beim Frischfleisch verdienen wir nichts mehr"

Der Kunde hat gelernt, dass er ein Kilo Schweinefleisch für 4,99 Euro bekommt
Vorstand Kerstin Neumayer erzählt, wo der Händler Profit macht und was Kundendaten verraten.

KURIER: Ich habe neulich auf der Merkur-Rechnung eine Thunfisch-Dose zum Aktionspreis angeboten bekommen. Zufall oder das Ergebnis Ihrer Kundendaten-Auswertung?

Kerstin Neumayer: Kein Zufall. Wir nutzen die gesammelten Daten natürlich dazu, passende Angebote zu kreieren.

Ich kaufe die angebotene Marke aber gar nicht.

Vielleicht, weil Sie sie noch nicht kennen. Wir haben schließlich 25.000 Produkte im Markt, da kann ein Produkt schon übersehen werden. Wir bieten unseren Kunden auch gezielte Aktionen für Obst und Gemüse an, wenn wir sehen, dass sie nie Obst und Gemüse kaufen.

Warum?

Weil wir davon ausgehen müssen, dass sie diesen Teil des Einkaufs derzeit bei der Konkurrenz erledigen. Das wollen wir ändern.

Unterscheiden sich die Einkäufer der einzelnen Märkte?

Durchaus. In einem Markt in der Wiener Innenstadt verkaufen wir um 25 Prozent mehr Smoothies als in einem Standort am Land. Dort kaufen viele noch die großen Waschmittelkartons, in der Stadt werden Tabs gekauft. Am Land kauft kaum jemand Tomaten, da die meisten ihre Pflanzen selbst ziehen.

Österreichweit gibt es derzeit 131 Merkur-Märkte. Dieses Jahr eröffnen Sie elf weitere. Haben wir wirklich noch zu wenige Lebensmittelgeschäfte in Österreich?

Nein, wir haben zu viele. Nur Norwegen hat gemessen an der Einwohnerzahl noch mehr. Aber wir haben noch zu wenige Merkur-Märkte.

Mehr Standorte bedeuten auch mehr Kosten. Ein Grund dafür, warum Lebensmittel in Österreich teurer sind als in Deutschland, wie die Arbeiterkammer gern propagiert?

Es gibt viele Gründe, warum man die beiden Länder nicht vergleichen kann, wie die Topografie und die höheren Löhne in Österreich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die AK will, dass wir die Hälfte der Läden schließen und die Mitarbeiter ihre Jobs los sind.

Ist überhaupt noch Platz für so große Merkur-Märkte?

Die Gemeinden werden bei Flächenwidmungen für große Handelsflächen immer restriktiver. Das macht unsere Expansion schwieriger. Deswegen bauen wir ab jetzt um cirka ein Drittel kleinere Märkte, vor allem in Gegenden, in denen das Einzugsgebiet für einen großen Markt ohnehin nicht da wäre.

Wie viel investiert Rewe heuer in Merkur-Standorte?

60 Millionen. Man hat mich intern darauf aufmerksam gemacht, dass das so viel ist wie nie zuvor. Doppelt so viel wie im Vorjahr.

Die Rewe-Zentrale in Köln stellt Ihnen Herrn Mießner zur Seite. Er zieht Anfang März von der Rewe-Zentrale in Köln in den Merkur-Vorstand in Wiener Neudorf. Eine Entmachtung?

Nein. Ich behalte den Vorsitz. Er übernimmt die Vertriebsangelegenheiten von Herrn Denner, der sich neu orientieren wollte.

"Beim Frischfleisch verdienen wir nichts mehr"
Merkur Markt, Hoher Markt, Geschäftsführung, Manfred Denner und Kerstin Neumayer
Die Menschen können ja nicht noch mehr essen. Wo sind noch Wachstumsmärkte?

In den Gastronomieleistungen. Wir werden das Angebot an Wraps, Coffee to go, Smoothies, warmen und kalten Snacks ausbauen. Bei Superfood-Drinks schauen die Leute nicht aufs Geld. Sie wollen sich was leisten. Bei diesen Produkten stimmt die Marge noch. So wie bei regionalen Produkten. Das heißt aber nicht, dass wir die Leute abzocken.

Gibt es überhaupt Produkte, an denen Sie nichts verdienen?

Natürlich, wir arbeiten ja mit einer Mischkalkulation. Das heißt, unter dem Strich muss das Ergebnis passen.

Wo stimmen die Margen gar nicht mehr?

Bei Frischfisch oder Frischfleisch zum Beispiel. Der Kunde hat über Jahre gelernt, dass er ein Kilo Schweinefleisch um 4,99 Euro bekommt. Daran verdienen wir nichts mehr. Ein hausgemachtes Problem der Aktionspolitik.

Ist Schweinefleisch ein wichtiger Umsatzbringer?

Vor 15 Jahren war das so. Seit einigen Jahren bemerken wir, dass Schweinefleisch stagniert, dagegen ist der Anteil von Huhn allein im vergangenen Jahr um vier Prozent gestiegen. Das Konsumentenverhalten hat sich geändert. Es wird aber auch insgesamt weniger Fleisch gegessen.

Merkur beliefert schon seit mehr als 15 Jahren mit Merkur Direkt Firmenkunden. Seit vorigen Sommer forciert Merkur den Online-Handel für Privathaushalte in Wien und Umgebung. Wie viel Geld wird dabei verbrannt?

Bei Merkur direkt ordern Firmen um einen durchschnittlichen Bestellwert von 300 bis 400 Euro. Bei solchen Bestellwerten sind wir profitabel. Bis wir im Geschäft mit den Haushaltskunden Geld verdienen, wird noch viel Zeit vergehen. Wir werden mit dem Angebot nächstes Jahr aber auch in Graz und Linz starten.

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