Beethoven führt Touristen durch Wien

Beethoven führt Touristen durch Wien
Der Wien Tourismus schickt Gäste mit App und Sonnenbrille zum Sightseeing. Das könnte auch helfen, die Besucherströme umzulenken.

Der Wien Tourismus hat einen neuen Fremdenführer engagiert: Ludwig van Beethoven. Nächstes Jahr würde der Komponist und Wahl-Wiener seinen 250. Geburtstag feiern, jetzt soll er Touristen durch die Innenstadt navigieren und ihnen Schmankerln aus seiner Wahlheimat Wien erzählen. Als Audio-Guide, den sich iPhone-Nutzer als App seit heute, Montag, herunterladen können.

Wer will, kann sich bei der Tourist-Info zusätzlich eine Bose-Sonnenbrille ausleihen, aus deren Bügel die Stimme des Guides tönt. Nebeneffekt: Wenn Beethoven fragt, ob man zur Staatsoper weiter gehen will, muss man nur nicken. Die Brille versteht die Zustimmung und navigiert in die richtige Richtung. Wer sich nicht geniert, in aller Öffentlichkeit mit einer dunklen Sonnenbrille zu sprechen, kann auch per Sprache mit ihr kommunizieren. „Audio-Augmented Reality“ nennen Fachleute dieses Angebot. Zu Deutsch heißt das so viel wie erweiterte Realitätswahrnehmung durch Sprachassistenten.

Beethoven führt Touristen durch Wien

Ludwig van Beethoven führt seit heute per Audio-Guide durch Wien

Wie im Museum

„Audio-Angebote sind die Zukunft“, ist Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner überzeugt. Künftig werde niemand mehr auf sein Handy starren, wenn er durch die Stadt spaziert. Sämtliche Infos werden bequem über den Lautsprecher kommen, sind sich die Initiatoren des neuen Angebots (Österreich Werbung und Wien Tourismus) sicher. Der Audio-Guide ist laut ihren Angaben weltweit einzigartig. Dass es einen ganzen Berufsstand, jenen der Touristen-Guides, in Bedrängnis bringt, glaubt Kettner nicht. „Das ist eine Ergänzung.“ Die Audio-Guides in Museen hätten ja auch nicht das Ende der offiziellen Führungen eingeläutet.

Obwohl die Zukunft offenbar eindeutig in Richtung Sprachsteuerung geht: Glaubt man Marktforschern, wird 2020 bereits jede zweite Online-Suchanfrage über Sprachbefehle eingegeben, in Deutschland hat demnach schon jeder achte Haushalt einen smarten Lautsprecher. Entsprechend dafür hat der Wien Tourismus Sprach-Anwendungen für Amazon Alexa und Google Home entwickelt, bei denen Beethoven durch die Stadt Wien führt.

„Mit dem Hörspiel möchten wir die Neugier potenzieller Gäste wecken und sie zu einem Wien-Besuch im Musikjahr 2020 inspirieren“, sagt Peter Hanke, Präsident des Wien Tourismus. Zu diesem Zweck werben Wien Tourismus und Österreich Werbung nun auch in New York mit ihren Apps und Brillen. Im Big Apple führt der Guide zu Plätzen mit Wien-Bezug, Kaffeehaus-Besuch inklusive.

Beethoven führt Touristen durch Wien

Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner (re.) und ÖW-Chefin Petra Stolba (Mi.) testen den Audio-Guide.

Besucher umlenken

Der Erfolg bleibt abzuwarten. Fest steht aber schon jetzt, dass der Tourismus vor einem gravierenden Umbruch steht. Manche Tourismusregionen sind längst Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Wenn Tausende Gäste gleichzeitig bei einer gehypten Sehenswürdigkeit einfallen, geht das Flair schnell verloren. Apps sollen mit ihren Geo-Daten künftig helfen, die Besucher-Ströme umzulenken. Zu Plätzen, die noch nicht so überrannt sind und von Tourismusmanagern gerne als „Geheimplätze“ tituliert werden. Geht es nach den Vorstellungen einiger Experten, werden Apps diesen Job zumindest teilweise übernehmen.

Klingt einfach, ist es in der Praxis nicht. Denn Urlauber lassen sich nicht so leicht navigieren, schließlich wollen sie zu den so genannten „Places to be“, die oft über die Social-Media-Kanäle bestimmt werden. Wo Prominente posen, wollen alle hin.

Beethoven führt Touristen durch Wien

Die App könnte Touristenströme zu weniger frequentierten "Geheimtipps" umlenken (im Bild Hochstrahlbrunnen in Wien)

Davon können die Wirte des Schweizer Berggasthofs Äscher ein Lied singen. Über Generationen ging es dort eher beschaulich zu. Dann kam Ashton Kutcher und postete Bilder der Hütte. Der „Geheimtipp“ mutierte zu einem überrannten Touristen-Mekka, von dem jeder ein Selfie haben wollte. Die Pächter der Hütte haben entnervt das Handtuch geworfen.

Präsenz in den sozialen Medien kann aber auch das Geschäft beleben. Ein Beleg dafür sind die mitunter langen Warteschlangen vor dem Eingang des Wiener Café Central. Unter den Wartenden sind auffällig viele Asiaten. Auch, weil das Kaffeehaus in den WeChat, der chinesischen Variante von Facebook, gehypt wird.

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