Augen auf bei der Firmenkontrolle
Sag, kennst du wen?" In Österreich werden Aufsichtsräte nicht wirklich gesucht, sondern rasch gefunden: In der eigenen Familie, im Freundeskreis, beim Geschäftspartner, beim Firmenanwalt.
Nur 20 Prozent der Aufsichtsratspositionen werden nach einem vordefinierten Auswahlverfahren besetzt, ergab eine aktuelle Aufsichtsratsstudie, die von GCI Management, dem Linde Verlag und Board Search erstmals durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind für die Studienautoren "ein Weckruf".
So geben mehr als zwei Drittel der befragten knapp 300 Führungskräfte an, der Aufsichtsrat agiere in Österreich nicht unabhängig vom Vorstand, mehr als die Hälfte sehen ihn auch nicht frei von Interessenskonflikten.
"Die Besetzungen erfolgen zumeist aus dem bekanntem Netzwerk", sagt Roman Pongrácz von GCI Management. Obwohl zunehmend erkannt werde, dass gute Beziehungen zu Eigentümer oder Vorstand keine Rolle spielen sollten, sehe die gelebte Praxis anders aus. Josef Fritz, der mit seiner Firma BoardSearch Aufsichtsräte vermittelt, spricht gar von "Inzest" in vielen Kontrollgremien. Alpha-Tiere in Unternehmen würde dazu neigen, sich einen schwachen Aufsichtsrat mit Abnickern und Wegschauern zu halten.
Jobbeschreibung
Die Mehrheit der Befragten vermisst eine ausgewogene fachliche Kompetenz in den Aufsichtsräten. "Für jede Servierkraft gibt es eine Jobbeschreibung, aber keine für Aufsichtsräte", kritisiert Fritz. Dabei seien die Anforderungen sowohl fachlich-inhaltlich als auch menschlich-moralisch gestiegen. Unternehmensrechtliche und betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse sind längst ein Muss. "Was oft fehlt, sind Personalkompetenz, Branchenwissen und Internationalität", sagt Fritz. Einige Ausbildungsstätten, wie etwa an der WU Wien, versuchen hier gegenzusteuern. Die Studienautoren sehen aber auch Handlungsbedarf bei der Einstellung: "Vielen Aufsichtsräten fehlt das Selbstverständnis, das Verantwortungsgefühl. Das ist eine Frage des Anstands", meint Pongrácz. Inkompetente Aufsicht fahre einen Betrieb an die Wand, daher müsse mehr Augenmerk auf die Qualifikation gelegt werden.
Burgtheater
Zu viel Vertrauen und zu wenig Kontrolle gab es für Fritz auch beim aktuellen Burgtheater-Finanzskandal. "Da hätte man schon mehr nachfragen müssen". Auch Professionalisierung schütze nicht vor kriminellen Vorgängen, relativiert Ex-Investkredit-Vorstand Wilfried Stadler, jetzt Ökonom an der Uni Salzburg. Ein professioneller Aufsichtsrat könne die Situation aber schneller reparieren. "Um im Krisenfall rasch reagieren zu können, ist es hilfreich, auch die zweite Führungsebene zu kennen." Stadler ist grundsätzlich für Vielfalt und Diversität im Aufsichtsrat. Es sollten dort nicht nur Technokraten sitzen, die rein bilanzpolitische Entscheidungen treffen.
Die Eigentümer der Hypo-Alpe-Adria-Bank richteten sich ihren Aufsichtsrat 2007 rund um den Verkauf an die BayernLB entgegen allen Wohlverhaltensregeln her: Der langjährige Bankchef Wolfgang Kulterer, der seinen Sessel 2006 nach der Swap-Affäre und einem Amtsenthebungsverfahren der Finanzmarktaufsicht räumen musste, wechselte nahtlos an die Spitze des Aufsichtsrats.
Ihm zur Seite stand Othmar Ederer, Chef des Hypo-Aktionärs Grazer Wechselseitige. Die Versicherung hatte beim Verkauf der Hypo an die BayernLB gegenüber betuchten Investoren das Nachsehen. Denn die Investoren-Gruppe rund um den Finanzinvestor Tilo Berlin, der mit Juni 2007 Vorstandschef der Hypo wurde, räumte beim Hypo-Verkauf ordentlich ab. Berlin & Co. beteiligten sich ab Herbst 2006 in mehreren Schritten an der Hypo, nahmen dabei auch der Grazer Wechselseitigen Hypo-Anteile ab und verkauften mit Millionen-Gewinn im Mai 2007 an die BayernLB.
Einer der Beteiligten an diesem Finanzspiel, das öffentlich mehrmals als Insidergeschäft angeprangert wurde, war der Chef von Kingsbridge Capital Advisers, Mathias Hink. Er zog mit 1. Juni 2007 in den Aufsichtsrat ein. Karl-Heinz Moser wiederum, der mit dem Einstieg der BayernLB den Hypo-Aufsichtsrat verlassen hat, hat bei der Hypo-Kapitalerhöhung 2006 gut verdient.
Neu in den Hypo-Aufsichtsrat zogen mit Juni 2007 die Ex-Chefs der Kärntner Landesholding, Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander, ein. Sie sind inzwischen in der Causa Birnbacher in erster Instanz wegen Untreue verurteilt.
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