Aufwachen, Generation Zero!

Aufwachen, Generation Zero!
Provokant: Ein Wiener Investment-Banker, der sich gerne als Punk verkleidet, nützt die Finanzkrise, um sein neues Buch zu vermarkten.
Von Uwe Mauch

Ehrlich - so wie Gerald Hörhan vor der Säule in der Säulenhalle in der Wiener Börse posiert, in feinsauberer Punkerkluft, die aussieht als wäre sie aus dem Katalog gekauft und mit Fewa-Wolle gewaschen, kann man natürlich posieren. Als Punk würde man damit allerdings nicht durchgehen.

Punks erklären lautstark, dass sie kaputt machen, was kaputt macht. Hörhan hingegen ist Player in einer obszön gut verdienenden Branche, die noch vergnüglich zockt, während andere bereits vor die Hunde gehen.

Das repräsentative Büro im ersten Stock der Börse, der Sportwagen vor der Tür, dazu die Maskerade und die aggressive Wortwahl in seinem neuen Buch Gegengift (edition a, 19,95 €) - der Punk-Banker fordert Gegenstimmen förmlich heraus.

Einfache Lösungen

Aufwachen, Generation Zero!

Zugegeben, der Zeitpunkt für die Veröffentlichung des Buchs ist perfekt gewählt. Die täglichen Minusmeldungen aus Griechenland, der nicht ordentlich aufgehen wollende Euro-Rettungsschirm, das Gejammere der Bankdirektoren, die sich täglich widersprechenden Finanzexperten - die Menschen sind verunsichert. Da braucht es Persönlichkeiten, die einfache Lösungen parat haben. Hörhan will mit dem Buch seine Generation - die "Generation Zero" - wachrütteln. Betont er im Interview. Die kommt - wie er - aus dem Mittelstand, dem harte Zeiten ins Haus stehen.

Sein Vater war Buchhalter in einer Wiener Steuerberatungskanzlei, seine Mutter hat beim ORF gearbeitet. Er hat angewandte Mathematik und Betriebswirtschaft in Harvard studiert, dann bei McKinsey & Co und JP Morgan an der Wall Street gearbeitet. Heute ist Hörhan 35 und Eigentümer einer Firma, die in Wien und Frankfurt mit 200 bis 250 Millionen Euro pro Jahr jongliert. Gleichaltrige und Jüngere, die es finanziell nicht so weit gebracht haben wie er, bezeichnet er in seinem Buch als Arschkriecher; und als Schafe.

Schön blöd, wer heute ein unbezahltes Praktikum beginnt, in der Hoffnung, einmal echtes Geld zu verdienen. Auch blöd, wer in Pensionstöpfe einzahlt und allen Ernstes glaubt, dass er davon einmal profitieren wird. Diese Thesen sind nicht neu. Immerhin werden sie uns noch länger beschäftigen.
Werden die Arschkriecher und Schafe sein Buch lesen?

Noch gehen die lieber auf die Straße. Ihre Demonstrationen reichen von der New Yorker Wall Street über London, Madrid, Athen, Berlin bis nach Israel. Doch auch da ist Hörhan streng: Proteste gegen Politik und Finanzkapitalismus wären der falsche Weg, um sich gegen die Abzocke zu wehren. Die einzige Möglichkeit bestünde darin, wirtschaftliche Macht aufzubauen und so politischen Einfluss zu gewinnen.

Vier Abendessen zum Investmentprofi

Vier Abendessen würden ausreichen, behauptet er im Buch und auch bei Vorträgen, um das Investmentgeschäft zu verstehen. Die Frage ist nur: Wer zahlt die vier Abendessen? Die Generation Praktikum hat kein Geld. Und die, die er als dekadent und faul abtut, machen viel lieber Party. Oder gehen demonstrieren. An nur vier Abenden die Welt, wenigstens die Finanzwelt verstehen - spricht das für sein eigenes Gewerbe? Und noch eine Frage drängt sich auf: Hören Investmentpunker Punkrock? Hat er je von Rio Reiser und seiner Band Ton Steine Scherben gehört? Wenn nicht, sei ihm hiermit - rein informativ - ein Refrain von Reiser und Co. übermittelt: "Die letzte Schlacht gewinnen wir!"

Zitiert

"Ihr seid Arschkriecher. Ihr seid den Politikern scheißegal. Bevor ihr dieses Buch weiterlest, will ich, dass euch das klar ist. Es gibt keine Regierung, die fürsorglich auf euch herabblickt und macht, dass am Ende alles gut wird."

"Sie zocken euch mit jedem Euro an zusätzlicher Staatsverschuldung und mit jeder aus Rücksicht auf die Alten verweigerten Verwaltungsreform ab. Jetzt gerade lasten sie euch die Kosten für die Sanierung Europas auf. Ihr werdet eure besten Jahre damit verbringen, die Kredite von Menschen zu tilgen, die dann nicht mehr leben."

"Ihr seid Schafe. Ihr seht alle gleich aus, habt den gleichen Lebenslauf und bewerbt euch um die gleichen Jobs. Die Personalchefs müssen dann nur noch herausfinden, wer von euch am lautesten blökt."

"Ihr wehrt euch nicht. Ihr seid der für das System äußerst bequeme und ziemlich dekadente historische Sonderfall einer jungen Generation, die den Alten lieber in den Arsch kriecht, als zu revoltieren."

"Besser wird's nicht. Mit dem Export eurer Milliarden in kaputte Staaten importiert eure Regierung schleichend die dortigen sozialen Verhältnisse."

"Der bevorstehende Abstieg der Mittelschicht wird keine Gruppe so hart treffen wie euch."

"Niemand dankt euch die Opferrolle. Im Gegenteil. Wer sich nicht wehrt, wenn er ausgebeutet wird, wird gleich noch einmal ausgebeutet."

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