Aufbruch in Afrikas Boom-Markt

Österreichische Betriebe erkunden Absatzchancen im bevölkerungsreichsten Land des Kontinents.

Acht Millionen Einwohner?“ Iyalode Lawson, Vize-Präsidentin der Nigerianischen Handelskammer muss schmunzeln, als Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bei einem gemeinsamen Treffen in der Hafenstadt Lagos (ehemals die Hauptstadt) die Bevölkerungszahl Österreichs nennt. „Wir sind 170 Millionen, 2020 werden wir 200 Millionen sein. Das ist unser Vorteil. An uns kommt die Geschäftswelt nicht vorbei“, sagt Lawson stolz.

Die Wirtschaft im Großraum Lagos wächst 13 Prozent im Jahr. Bauland ist knapp. Eine Gruppe privater Investoren hat ein gigantisches Bauprojekt begonnen: Auf zehn Quadratkilometern werden Steine und Sand im Meer aufgeschüttet. Darauf soll ein Luxus-Stadtviertel namens Eko Atlantic entstehen. Baukonzerne stehen Schlange.

Aufbruch in Afrikas Boom-Markt
Die Chinesen haben die Chancen im bevölkerungsreichsten Land Afrikas längst erkannt: Sie bauen Straßen, kaufen Kraftwerke und investieren in den Strommarkt. Europa wagt sich erst langsam in diesen Markt, aus Österreich sind gerade einmal eine Handvoll Unternehmen – darunter die Vamed (Krankenhaus-Bau), Doka (Schalungstechnik), VA Intertrading (Agrarhandel) und Haas Waffelmaschinen – präsent. Aber es sollen bald viel mehr werden.

Leitl ist mit einer Delegation von 25 Firmen-Vertretern in die 21-Millionen-Einwohner Stadt Lagos gereist, um erste Geschäftskontakte zu knüpfen. Die Chancen sind riesig, aber auch die Gefahren. Nigeria ist ein heißes Pflaster, die Gegensätze im Land könnten größer nicht sein: Nigeria ist der sechstgrößte Erdölexporteur der Welt und muss beinahe seinen gesamten Treibstoff importieren, weil die staatlichen Raffinerien nicht funktionieren; das Land zählt zu den wichtigsten Champagner-Importeuren der Welt, Millionen Nigerianer aber wissen nicht einmal, was Champagner ist; der reichste Mann Afrikas ist Nigerianer (siehe unten) und die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als zwei Dollar am Tag. Es mangelt nicht nur an asphaltierten Straßen, sondern auch an funktionierender Stromversorgung. Hotels, Betriebe und Bürogebäude müssen Strom mit eigenen Dieselgeneratoren erzeugen. Korrupte Regierungen haben über viele Jahre kein Geld in die Infrastruktur gesteckt. Die Milliarden aus dem Ölverkauf sind nur wenigen zugutegekommen.

Riesiger Bedarf

Der jetzige Präsident Goodluck Jonathan verspricht Besserung. Er will das Elektrizitätswesen privatisieren und neue Investoren ins Land holen – ein guter Zeitpunkt für Österreichs Unternehmen, die nach drei Tagen in Lagos eine durchaus zufriedenstellende Bilanz ziehen.

Gerald Enzinger von der Helioz Gmbh, die Messgeräte für Wasserqualität erzeugt, hat so viele Geschäftsanfragen bekommen, dass er gar nicht weiß, wo er anfangen soll. Auch Ibou-Kebe Diouf von der Tiroler Pfeiffer Holz GmbH hat neue Kontakte geschlossen. Das Unternehmen will Holzträger für den Hochbau liefern.

Nella Hengstler, Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Nigeria unterstützt die Betriebe mit Kontakten. „Das Um und Auf für Erfolg im Land ist der richtige Geschäftspartner“, sagt sie.

Niemand verkörpert das Wachstums-Tempo Nigerias besser als Aliko Dangote: Der 56-jährige Nigerianer hat es mit seinem Firmenimperium, das Zementindustrie, Agrarhandel, Nahrungsmittelproduktion, Mobilfunk und Ölfelder umfasst, ein Vermögen von zwölf Milliarden Dollar (neun Milliarden Euro) aufgebaut. Damit ist er reichster Mann Afrikas.

„In fünf Jahren werde ich meinen Umsatz verfünffachen“, lautet Dangotes Strategie. Neun Milliarden Dollar will er in eine Raffinerie zur Kunststofferzeugung stecken. „Nigeria ist ein guter Platz, hier leben gute Menschen. Sie sind aber auch gut darin, einen schlechten Ruf zu verbreiten“, sagt Dangote im Gespräch mit dem KURIER. „Kommt nach Nigeria, der Bedarf hier ist endlos“, motiviert er österreichische Firmen. Dangote, dessen Konzern von einem Norweger gemanaged wird, ist bestens vernetzt im Land. Sein Unternehmen macht ein Drittel der Börsenkapitalisierung in Lagos aus, er selbst ist Börsenpräsident.

Wer von Nigerias Hafenstadt Lagos aus in die Hauptstadt Ghanas, Accra, kommt, atmet zunächst einmal auf: Accra ist ruhiger, weniger hektisch, sauberer als Lagos. Ghana punktet mit Stabilität und längerer demokratischer Entwicklung.

Als Eintritt in den afrikanischen Markt ist das Land für Österreichs Betriebe wahrscheinlich einfacher und überschaubarer, wenn auch weniger dynamisch als Nigeria. Und von Ghana aus stehen die Märkte Westafrikas, die wie Sierra Leone einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung erleben, offen. Sie alle sind über das Wirtschaftsbündnis ECOWAS durch freien Warenverkehr verbunden.

Im Gegensatz zu Nigeria, das wegen der Ölexporte als reiches Land eingestuft wird, gibt es für österreichische Unternehmen, die sich in Ghana engagieren, Softloans. Das sind staatlich gestützte günstige Kredite. „120 Millionen Euro an Softloans haben wir derzeit für Geschäfte mit Ghana vergeben“, sagt Ferdinand Schipfer von der Oesterreichischen Kontrollbank.

Das Volumen der österreichischen Exporte nach Ghana ist mit 18 Millionen im Jahr 2012 sehr niedrig. Die Ausfuhren schwanken wegen Einzelprojekten allerdings stark.

Brückenbau

Wie Nigeria hat auch Ghana besonderen Bedarf in der Infrastruktur. Österreichs Waagner-Biro baut bereits Brücken im Land, die Vamed Krankenhäuser.

Heiß begehrt sind auch Österreichs Energy Drinks. 2012 lieferte Österreich Energy Drinks für rund drei Millionen Euro, um 14 Prozent mehr als 2011.

Noch recht frisch in Ghana ist Novomatic mit ihren Spielautomaten. Mit Chris Brammer, dem Novomatic-Manager für Ghana, hat sich das Unternehmen einen erstklassigen Afrika-Kenner geholt. Der Brite kam in den 1970er-Jahren nach Afrika – als Abenteurer, der die schwarzen Nashörner vor dem Aussterben rettete. Seither arbeitete er in 14 Ländern des Kontinents.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl über ...

... Warum Afrika? Ich war 2013 auf allen Kontinenten. Ich fahre dorthin, wo es nicht so überlaufen ist. In Schanghai tummelt sich die ganze Welt. Nigeria ist am Anfang. Unsere Firmen können beim Start mit dabei sein.

... Chinesen-Konkurrenz Die Chinesen rollen Afrika auf. Die Europäer haben viel verschlafen. Aber Nigeria hat so viele Projekte und Ressourcen, dass wir noch lange nicht ans Ende der Fahnenstange gelangt sind. Wir steigen zwar spät in den Markt ein, aber sicher nicht zu spät.

... Gut gerüstet? Unsere Firmen decken alle Bedürfnisse ab, vom Maschinenbau bis zu den Energy Drinks. Die Chinesen punkten mit Billig-Produkten. Österreichs Firmen bringen die Qualität nach Nigeria.

... Österreichs Exporte Im Vorjahr haben österreichische Unternehmen Waren im Wert von 115 Millionen Euro nach Nigeria geliefert. Der Großteil entfiel auf Maschinen. An zweiter Stelle aber lagen schon Vorarlberger Spitzen, die bei den Nigerianern besonders beliebt sind.

... Abgesandelt? Unser Problem sind nicht die Betriebe. Es ist der öffentliche Sektor, der uns runterzieht. Die Unternehmen sind überreguliert, werden zu viel kontrolliert und ständig mit Strafzahlungen bedroht.

... Was fehlt? Wir brauchen eine Regierung, die mutig ist und die Dinge angeht. Bildung, Bürokratieabbau, Überregulierung, Haushaltssanierung und die Pensionen – das sind die Themen für die nächste Regierung. Dann ist der Weg an die Spitze frei.

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