AUA-Zukunft: Flug ins Ungewisse

AUA-Zukunft: Flug ins Ungewisse
Entscheidung der EU-Höchstrichter kann Airline wieder tief in die Verlustzone stürzen. Alternative als Billig-Anbieter oder Schrumpfkurs.

Die Stimmung in der gläsernen AUA-Zentrale am Wiener Flughafen ist wieder einmal am Nullpunkt. Chef Jaan Albrecht hat zu riskant gepokert und muss mit hoher Wahrscheinlichkeit am Donnerstag eine teure Niederlage einstecken. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) dürfte verkünden, dass der 2012 vom Vorstand gekündigte AUA-Kollektivvertrag für die Piloten und Flugbegleiter nachwirkt. Solange, bis es einen neuen gibt. Über ein neues Lohnsystem streiten der "Rambo aus Mexiko", wie Albrecht in Belegschaftskreisen gerne genannt wird, und der Bord-Betriebsrat allerdings schon seit zwei Jahren. Ohne sich auch nur eine Flugmeile angenähert zu haben.

Die Entscheidung kann für die AUA, die gerade einmal hauchdünne Gewinne einfliegt, fatale Konsequenzen haben. Den ehrenwerten Höchstrichtern sind die ökonomischen Auswirkungen ihrer Sprüche allerdings herzlich egal. Für sie zählt das Arbeitsrecht.

Der Lufthansa-Tochter drohen Nachzahlungen und Rückstellungen (für Leistungspensionen, Abfertigungen und Jubiläumsgelder) von mehr als 100 Millionen Euro. Sowie künftig wieder wesentlich höhere Personalkosten. Derzeit werden die rund 1000 Piloten und 2000 Flugbegleiter nach Unternehmensrichtlinien bezahlt, die das Unternehmen deutlich billiger kommen als der alte Kollektivvertrag. 600 Klagen aus der Belegschaft sind anhängig.

AUA-Zukunft: Flug ins Ungewisse
Die AUA würde um zwei Jahre zurückgeworfen – in jene Phase, als die ehemalige Staatsairline vor der Pleite stand. Die große Frage ist, wie geht es weiter? Einen klaren Plan B gibt es nicht. Der Vorstand bildete erst im Juni Rückstellungen, als die Signale aus dem EuGH unmissverständlich waren. Hätte man schon 2012 machen müssen, mit einer Prozesslawine war ja zu rechnen. Öffentlich will lieber niemand Statements abgeben. Doch hinter verschlossenen Türen wird heftig spekuliert. Eines ist klar. Die Lufthansa wird nicht nochmals frisches Geld in die Österreich-Tochter pumpen.

Insider argwöhnen, dass Lufthansa-Boss Carsten Spohr die AUA zum Billigflieger degradieren könnte. Unter dem Arbeitstitel "Wings" präsentierte Spohr Anfang Juli ein Konzept, das die Piloten schockte. Unterhalb des kostengünstigen Ablegers Germanwings will Spohr auf Basis der Tochterfirma Eurowings einen noch billigeren Anbieter formen (siehe Artikel unten). Auch für die Langstrecke. Um endlich den Low-Cost-Carriern und der erdrückenden Konkurrenz der Überflieger vom Golf entgegen zu halten. Im "Wings"-Konzept werden ausdrücklich Boeing 767 erwähnt – die einzige Konzern-Airline mit diesem Flugzeugtyp ist die AUA.

"Ich glaube eher nicht, dass die Lufthansa aus der AUA eine Billigmarke wie etwa Austrian Wings macht. Dafür ist die AUA als Qualitätsmarke zu stark. Aber was weiß man. Um sie zuzudrehen, ist die AUA jedenfalls zu groß. Aber mit einer heftigen Redimensionierung ist schon zu rechnen", meint der deutsche Luftfahrtanalyst Jürgen Pieper. Das hieße wieder ein Sparpaket, wieder den Abbau von Mitarbeitern, wieder die Einstellung von Strecken. Falls die 767-Maschinen tatsächlich zum neuen Billig-Carrier wandern, würden die Bord-Crews nicht mehr in Wien, sondern in Destinationen wie Bangkok oder Peking angestellt. Eine stark gerupfte AUA wäre auch Gift für den Standort Österreich. Weniger Geschäft für den Flughafen Wien und alle mit der Luftfahrt verbundenen Unternehmen, Verlust von Arbeitsplätzen, ein unattraktiveres Angebot vor allem für die lukrativen Business-Passagiere.

Die Verantwortung alleine den Piloten zuzuschieben, ist freilich zu billig. Die AUA fliegt seit zwei Jahren mit den niedrigsten Piloten-Gagen im Konzern und ist trotzdem nicht nachhaltig saniert. Vertriebs-Vorstand Karsten Benz, der sich mit 1. Oktober wieder zur Mutter nach Frankfurt vertschüsst, konnte die Erträge nicht so in die Höhe bringen wie die Lufthansa erwartete. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine trifft die stark auf Osteuropa fokussierte Airline besonders empfindlich.

Auch im Management läuft’s nicht rund. Querelen zwischen AUA-Mitarbeitern und den Kollegen der Tochter Tyrolean erschweren die Zusammenarbeit nach wie vor. Dass auch heuer wieder etliche Flüge ausfielen, hat nichts mit häufigeren Krankenständen im Cockpit zu tun. Sondern mit zu knapper Personalkalkulation. Für die 767 etwa fehlen zwei Kapitäne und zwei Co-Piloten.

Bordbetriebsratschef Karl Minhard sollte mit einer Klage des Unternehmens offenbar eingeschüchtert werden. Nicht gerade förderlich für das Gesprächsklima. Minhard werden falsche Angaben in der Öffentlichkeit über Gehaltserhöhungen des Managements vorgeworfen, das Verfahren liegt auf Eis.

Dass der ehemalige AUA-Aufsichtsratschef und Lufthansa-Personalvorstand Stefan Lauer, unter dem der Kollektivvertrag gekündigt wurde, bei seinem Abgang stolze 6,5 Millionen Pensionsabfindung kassierte, animiert die fliegende Belegschaft nicht gerade dazu, freiwillig auf alte Ansprüche zu verzichten. Irgendwie auch verständlich.

Nach dem Streik der Lufthansa-Tochter Germanwings blieben am vergangenen Freitag auch die Piloten der Lufthansa selbst am Boden. Dabei geht es nur vordergründig um die Frühpensionierungen. Tatsächlich wollen die Piloten das neue Billig-Konzept „Wings“ von Konzernchef Carsten Spohr aushebeln. Spohr hat bereits gedroht, seine Pläne notfalls ohne Zustimmung der Piloten und der Gewerkschaften durchzuziehen und firmenfremde Kapitäne anzuheuern. Sind die neuen Billig-Töchter gestartet, kann die Lufthansa die Piloten und Flugbegleiter unter Druck setzen. Jedes neue Flugzeug könnte nicht mehr unter Lufthansa fliegen, sondern bei der hauseigenen Billig-Konkurrenz.

Air France-KLM kündigte ebenfalls den Aufbau einer europaweiten Billig-Airline an, die schon im Sommer 2015 abheben soll. Die wichtigste Pilotengewerkschaft bei Air France, SNPL, hat deswegen bereits zu einem einwöchigen Streik ab 15. September aufgerufen. Die Finnair will ihre Kabinen-Mitarbeiter auslagern. Nachdem drei Jahre lang erfolglos über Einsparungen verhandelt wurde, lässt die Airline über eine norwegische Personal-Managementfirma Flugbegleiter in Hongkong und Singapur rekrutieren. Das Modell soll auf weitere Lang- und auch auf Kurzstrecken ausgeweitet werden.

Kommentare