Zeit für gepflegten Streit
Ein paar Leute sitzen im Kreis und reden eine Stunde lang über Politik. Klingt langweilig – ist es oft auch.
Und manchmal auch großes Kino: Das Aufeinandertreffen von Kurt Scheuch und Hubsi Kramar „Im Zentrum“ am letzten Sonntag sorgte für Belustigung und Kopfschütteln. Und im Idealfall spannendes, anspruchsvolles Programm für interessiertes Fernsehpublikum.
Belebende Konkurrenz Jeder Sender, der etwas auf sich hält, hat eine Diskussionssendung im Programm. Der ORF macht’s schon seit vielen Jahren am Sonntagabend, derzeit unter dem Titel „Im Zentrum“. Doch auch die Privatsender haben gelernt, dass politische Diskussion ihrem Image und medienpolitischen Standing nicht schadet. Konkurrenz belebt das Geschäft, finden die Verantwortlichen beim ORF und freuen sich über die ambitionierten Redaktionsteams beim Privatfernsehen. Aber wer macht was, warum und wann?
Die österreichischen Politdiskussionen im Überblick.
ORF
„Im Zentrum“ am Sonntag um 22.05 Uhr
Das Konzept: „Im Zentrum“ (Sonntag, 22.05 Uhr, auf ORF 2) ist eine konfrontative Diskussion über Partei- und Gesellschaftspolitik.
Die Moderatorin: Ingrid Thurnher moderiert seit 2008, manchmal springt Peter Pelinka ein.
Die Themen: Früher stand oft Parteipolitik im Vordergrund, in den letzten Jahren wurde das Format breiter.
Die Gäste: „Wir versuchen, die spannendsten Runden zum spannendsten Thema zu finden,“ sagt ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher. Was nicht immer aufgeht, wenn man an den verunglückten Talk von letzter Woche denkt. „Aber so ist das bei Livesendungen.“ Wunschgast: Schwarzenegger.
Das Setting: Die Diskussion findet nicht im Studio, sondern im Foyer des ORF-Zentrums statt – ein realer Ort erhöhe die Glaubwürdigkeit, sagt Dittlbacher. Die Sendung soll entspannt wirken, schließlich ist Sonntag.
Die Quoten: „Im Zentrum“ hatte heuer im Schnitt 360.000 Zuschauer (18 Prozent Marktanteil). Den Bestwert erreichte eine Sendung zum Thema Kampusch mit durchschnittlich 510.000 Zuschauern (25 %).
Der Anspruch: „,Im Zentrum‘ soll die Bühne sein, wo der wichtigste Talk der Woche stattfindet.“
Die Bewertung: Dem oft gescholtenen ORF-Diskussions-Flaggschiff würde eine Profilschärfung gut tun.
ATV
„Am Punkt“ am Mittwoch um 22.55 Uhr
Das Konzept: „Am Punkt“ (Mittwoch um 22.55 Uhr auf ATV) ist eine interaktive Diskussionssendung zu aktuellen Themen. Social Media wurden von Anfang an integriert, damit „der eingespielte Kreislauf von Politikern, Journalisten und Experten“ aufgebrochen wird.
Die Moderatoren: Derzeit moderiert Meinrad Knapp, Sylvia Saringer ist in Karenz.
Die Themen: „Am Punkt“ fokussiert sich von allen Sendung am meisten auf politische Inhalte im engeren Sinne – inklusive EU-Themen.
Die Gäste: Was die Einladung von Politikern betrifft, folge man keine fixen Regeln, heißt es bei ATV: „Wenn jemand aus Partei A eingeladen ist, heißt das nicht automatisch, dass auch jemand aus Partei B kommen muss.“ Außerdem will man „Leute außerhalb des politischen Zirkels“ einbeziehen.
Das Setting: Bei „Am Punkt“ diskutieren die Gäste im Stehen – das wirke dynamischer, ist man bei ATV überzeugt. Und einen praktischen Grund gibt es auch: Das Studio ist nicht so groß.
Die Quoten: „Am Punkt“ erreichte in den letzten Wochen durchschnittlich zwischen 44.000 und 75.000 Zuschauer (2,6 bis 6,7 Prozent Marktanteil).
Der Anspruch: „Bei uns spielen die Zuschauer eine aktive Rolle.“
Die Bewertung: Für Privat-TV bemerkenswert seriös.
PULS 4
„Pro und Contra“ am Montag (22.15)
Das Konzept: „Pro und Contra“ (Montag, 22.15 Uhr) versteht sich als Bürgertalk. Im ersten Teil der Sendung diskutieren Experten, im zweiten kommen Bürgerinnen und Bürger zu Wort. Die Moderatorin sorgt dafür, dass sie eine Antwort bekommen.
Die Moderatorin: Corinna Milborn folgte vor wenigen Wochen auf Manuela Raidl.
Die Themen: Von knallhart politischen bis hin zu weicheren Themen. Die Idee zur jüngsten Diskussion über den ORF sei in der Redaktion entstanden, sagt Moderatorin Corinna Milborn: „So eine Sendung ist wichtig, weil sie im ORF nicht stattfinden kann.“
Die Gäste: „Wir wollen die, die verantwortlich sind“, heißt es bei PULS 4. Außerdem soll es ein klares Pro und Kontra auf dem Podium geben. Wunschgäste wären Kanzler und Vizekanzler gemeinsam in einer Sendung.
Das Setting: Die Stühle stehen relativ nah beieinander, damit sich die Gäste der Diskussion nicht entziehen können. Die Teilnehmer mit den extremsten Standpunkten sitzen einander gegenüber.
Die Quoten: PULS 4 konnte keine genauen Zahlen liefern – die besten Durchschnittsreichweiten liegen bei etwa 60.000 Sehern, meist liegt die Sendung darunter.
Der Anspruch: „Wir sind lebendiger als die anderen.“
Die Bewertung: Härter und rotziger als die Konkurrenz – die jungen Wilden.
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