Wiener Philharmoniker geben Einblicke in ihre Rolle in der NS-Zeit
Es ist ein berührendes, beklemmendes Finale, mit dem die ORF-Doku „Schatten der Vergangenheit“ ausklingt: Mitten unter einer Darbietung stehen nach und nach einzelne Musiker der Wiener Philharmoniker auf, legen ihr Instrument weg und verlassen die Bühne. Dazu sagt eine Stimme aus dem Off Namen – die Namen jener ehemaligen Philharmoniker, die unter der NS-Herrschaft entlassen, vertrieben, ermordet wurden.
Diese Namen und weitere historische Informationen, insbesondere auch über die Täterfiguren in den Reihen des Orchesters, sollen ab kommender Woche auf der Webseite der Wiener Philharmoniker abrufbar sein. Erstmals dokumentiert das Orchester dann dort jene Schatten, die die NS-Zeit in seiner Historie hinterlassen haben.
Kritik
An der Aufarbeitung durch die Philharmoniker hatte es immer wieder Kritik gegeben: Anfang der 1990er-Jahre hatte es eine erste Aufarbeitung durch den heutigen Orchester-Vorstand Clemens Hellsberg gegeben. Seither wurde das Bewusstsein dafür aber weiter geschärft, und es sind viele neue Fragen aufgetaucht. Einen ersten offenen Konflikt hatte es gegeben, als sich Historiker anlässlich einer Ausstellung in der Staatsoper bei Recherchen in den Orchesterarchiven behindert gefühlt hatten.
Zuletzt wurde heftig kritisiert, dass noch 1966/’67 dem ehemaligen NS-Gauleiter Baldur von Schirach eine Kopie seines Philharmoniker-Ehrenringes überreicht wurde. Und der KURIER berichtete zuerst, dass die Philharmoniker auch den später hingerichteten Kriegsverbrecher Arthur Seyss-Inquart mit dem Ehrenring ausgezeichnet haben.
Das Orchester reagierte: Drei Historiker wurden mit der Aufarbeitung der NS-Zeit beauftragt. Schon vor der Ausstrahlung der ORF-Doku am Montag (22.50 Uhr, ORF 2), die neue Details enthüllen soll, gab das Team um Oliver Rathkolb einzelne Ergebnisse bekannt. Etwa, dass mehr als 50 Prozent der Philharmoniker NS-Mitglieder waren – mehr, als bisher gedacht.
Weiters wurden in der Wiener Staatsoper neue Unterlagen aus dem Orchesterarchiv gefunden, die unter anderem einen extremen Fall der NS-Verstricktheit näher beleuchten: Helmut Wobisch wurde schon 1933 NSDAP-Mitglied und denunzierte in Folge Musikerkollegen. Nach dem Krieg wurde er gefeuert, später aber wieder aufgenommen – und 1953 bis 1968 sogar Geschäftsführer des Orchesters.
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